Kapitel 22: Die Maschine (Bis in die tiefsten Abgründe)
Abyss lehnte sich gegen die aufgeschraubten Konsolen. Einige Kabel hingen aus ihnen heraus. Er sah aus, als überlegte er gerade, welches Körperteil er ihrem erzwungenen Gast als erstes abhacken sollte.
„Ich glaube, wir haben keine Axt an Bord“, meinte Gibbli kühl.
Abyss grinste. „Hm ... du könntest mir eine bauen.“
„Mir bitte auch“, murmelte plötzlich eine raue Stimme.
Gibbli blickte erstaunt auf, als Sky sich in die Tauchkapsel zog und dann erschöpft an einer Wand zu Boden glitt.
Abyss kniff die Augen zusammen. „Hey, wenn du hier bist, wer steuert dann die Mara?“
„Steven. Bo ist bei ihm.“
Der Kapitän hatte befohlen, dass niemand alleine im Schiff herum lief, solang Jack sich an Bord befand. Doch seine Vorsichtsmaßnahme erwies sich als unnötig. Denn der einzige, der von Jack verfolgt wurde, war Sky selbst.
„Du überlässt ihm das Steuer? Ernsthaft? Diesem goldenen Dreck-“ Abyss brach mitten im Wort ab und seine Aufmerksamkeit wanderte auf das lange Ding, das von Skys Finger baumelte. Es schillerte in gelblich gefärbter Fischhaut, mit der ein Teil des Bandes überzogen war. „Ähm ... was hast du da?“
Der Kapitän hob seine Hand und betrachtete es überrascht. „Oh verflucht“, murmelte er und ließ das Ding angeekelt fallen, als hätte er sich daran verbrannt.
Abyss runzelte die Stirn. „Der gehört Jack.“ Er lachte schnaubend „Wann hast du ... Wie?“
Sky ließ seinen Kopf sinken und rieb mit beiden Händen über sein Gesicht. „Ich habe keine Ahnung.“
Abyss versuchte gar nicht erst, sein Grinsen zu verbergen. „Du hast echt seinen Gürtel geklaut!“, sagte er ungläubig.
„Erzählt ihm das bloß nicht“, gab Sky müde zurück. „Ich will mir nicht vorstellen, wie er darauf reagieren würde.“
„Während er ihn trug?“
Sky lehnte sich an die gebogene Wand und schwieg. Für einen Moment schloss er die Augen, als würde er die Ruhe vor Jack genießen.
Abyss öffnete den Mund.
Doch Sky kam ihm zuvor: „Nein, Abyss“, sagte er mit noch immer geschlossenen Augen. „Ich werde nicht seine Unterhose stehlen.“
Abyss schloss den Mund wieder.
„Nur ein Wort von dir, Kapitän“, sagte er nach einer Weile ernst. „Nur ein einziges und ich mach es. Ich erledige ihn. Ich erwürge ihn damit.“ Abyss deutete auf den Gürtel.
Sky warf ihm einen kurzen Blick zu und schüttelte leicht den Kopf.
Abyss riss sich ein Haar aus und hielt es dem Kapitän vor die Nase. „Ich könnte das hier auf seine Uniform schmuggeln, was meinst du?“
„Ich meine, dass du dann gegen die Abmachung verstößt.“ Seufzend wandte er sich Gibbli zu und musterte sie prüfend. „Bist du okay?“
„Ja“, antwortete sie leise.
Sky nickte und lehnte sich wieder zurück. „Gut. Das ist gut.“
„Sky?“, sagte Abyss nach einer Weile.
„Mh.“
„Und wenn ich ihn anzünde? Darf ich ihn anzünden?“
Der Kapitän schüttelte den Kopf. „Das geht nicht.“
„Doch. Mit altmodischen Streichhölzern und etwas Schwarzpulver, ist ganz leicht.“
Gibblis linker Mundwinkel zuckte, als sie Abyss‘ Blick auffing.
„Nein“, knurrte der Kapitän.
„Aber er ist widerlich! Komm schon, nur ein winziges Feuer und dann schlag ich ihm die scheiß Fresse ein!“
„Sei etwas netter, Abyss.“
„Wie wäre es damit, Kapitän:“, tönte plötzlich eine helle Stimme durch die Kapsel und Steven kroch herein, „Ich greife ihm ein klein wenig unsanft mit meiner perfekten Faust in sein unästhetisches Gesicht?“
Stutzig blickte Gibbli auf, als Abyss nichts erwiderte. „Du widersprichst ihm nicht?“, fragte sie leise.
Abyss zuckte mit den Schultern. „Nein, wieso? Das hörte sich überaus reizend an, was das Goldmännchen sagte. Lass uns Jacks Antlitz liquidieren zu bildhübscher, roter Matschpampe. Hört sich das netter an, Sky?“
„Mich grauste immer vor dem Tag, wenn ihr einer Meinung seid“, murmelte Sky. „Was machst du überhaupt hier, Steven? Du solltest bei Bo in der Zentrale bleiben und die Mara steuern!“
„Hatte keine Lust mehr. Das ist langweilig.“
Der Kapitän schien zu müde, um ihn zurechtzuweisen. Er holte genervt Luft und verließ die Kapsel.
Die Maguna Quellen lagen auf halber Strecke zwischen der Meeresakademie und der Hauptstadt Mooks. Dort, verborgen unter heißen Wasserströmungen, befand sich Steven nach die Spionagebasis der Mog. Abyss hatte seinen Mantel ausgezogen und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Skys Hemd klebte nass an seinem Körper. Sogar Gibbli war ein wenig warm. Bo und dem Oceaner schien die Hitze überhaupt nichts auszumachen. Gibbli stand am Fenster und betrachtete in Gedanken versunken einen gigantischen Schwarm Cans, der an ihnen vorbeizog. Die wilden Geschöpfe trugen weder Gestelle noch darin enthaltene Nachrichten und wirkten verspielt.
„Nein Bo, wir behalten sie nicht und ich lasse sie sicher nicht alle an Bord“, sagte Sky leise, als ahnte er, was die Hybridenfrau gerade dachte.
Bo folgte fasziniert den Bewegungen der Cans, als diese außer Sicht verschwanden.
„Ach, aber der Schwachkopf darf hier an Bord schlafen?“, warf Abyss ein.
„Ich schlafe nicht“, gab Steven zurück.
„Ich meinte nicht dich“, sagte Abyss leise.
Er presste die Zähne aufeinander und funkelte Jack giftig an. Doch Jack hielt sich stur an die Abmachung und ignorierte bis auf Sky jeden aus der Crew. Gibbli betrachtete eine blinkende Konsole, die eine Warnmeldung wegen der Hitze abgab. Steven hatte die Temperatur im Inneren der Mara soweit herunter geregelt wie möglich. Mit Buchstaben konnte sie zwar noch nichts anfangen, aber mittlerweile war Gibbli dazu im Stande, die Zahlen der oceanischen Sprache ganz gut zu entziffern. Das Außenthermometer zeigte über 300 °C an einigen Stellen des Bodens. Erfrieren würden sie hier wahrscheinlich nicht.
„Wie praktisch, dass wir zwei lebende Kühlschränke an Bord haben“, sagte Jack zufrieden. Er saß mit verschränkten Armen neben Sky.
Abyss ballte seine Hände zu Fäusten, sagte jedoch nichts. Der Kapitän ignorierte Jack. Seine Finger umklammerten die Steuerhebel, während er düster und mit steinerner Miene nach vorne blickte. Draußen, wo das kochende Wasser aus dem Boden auf die kühlen Strömungen traf, stieg schwarzer Rauch empor. Die feinen Partikel schlängelten sich durch das Licht der Scheinwerfer und trübten die Sicht am großen Frontfenster. Sky hatte das Steuer wieder übernommen und bugsierte sie sicher durch die Quellen, der Route des Oceaners folgend. Es war Gibbli ein Rätsel, wie Steven wissen konnte, wo sie sich befanden. Doch schließlich sendete er ein Signal nach draußen und direkt unter ihnen öffnete sich der Meeresboden. Sky navigierte sie durch einen gebogenen Tunnel hindurch. Das Geräusch von arbeitenden Maschinen durchdrang die Zentrale, abgedämpft durch das Wasser. Es war kein richtiger Schall, sondern Frequenzen anderer Ebenen, die ungehindert durch den Schutzschild dringen konnten. Am Ende des Tunnels tauchten sie auf und gemeinsam verließen sie das U-Boot.
Bis auf das ausfüllende Becken der Anlegestelle war die Basis recht klein und bestand lediglich aus einem Raum und ein paar kleinen Nischen, die sich rund herum anschlossen. Hinter ihnen trieb die Mara und schaukelte leicht in den Wellen auf und ab. Die Luft roch abgestanden und modrig. Gibbli blickte sich um, als Steven die Beleuchtung einschaltete. Das blaugrüne Licht ließ die Umgebung jedoch nicht viel gemütlicher erscheinen. In der schummrigen Luft waren kaum mehr als schwache Umrisse zu erkennen. Dunkle Schatten ihrer eigenen Körper bedeckten den gläsernen Boden. Entlang an den Wänden und Decken verliefen schwarze Rohre. In einigen bildeten sich bereits Risse. Dampf trat aus und verflüchtigte sich in der stickigen Halle. Abyss half Bo dabei, eine mitgebrachte Festluftflasche langsam abzulassen, damit der Raum sich mit genügend frischem Sauerstoff füllte. Die Mog hatten zwar das Wasser abgelassen, aber nicht darauf geachtet, Filter einzubauen. Sie benötigten keine Luft zum Atmen. Bo prüfte die Werte auf einem mitgebrachten Messgerät. Gibbli erkannte, dass es sich um einen medizinischen Sensor der Oceaner handelte. Steven musste ihr gezeigt haben, wie er funktionierte.
Dicht gefolgt von Jack, trat Sky auf ein Podest zu. Dieses dominierte den gesamten Raum. Darauf stand die Maschine, etwa in der Mitte der Basis. Gibbli folgte dem Blick des Kapitäns. Das Gebilde war etwa so hoch wie sie selbst. Kleine Zahnräder drehten sich hinter gläsernen Scheiben. An den Rändern befanden sich seltsame Öffnungen zwischen Schläuchen. Diese Löcher wirkten so ähnlich wie die Raumzeitgravitationsrisse. Es gab Sensoren, die aussahen, als würden sie Wellen verschiedener Frequenzen aussenden oder empfangen.
„Stopp, Kapitän. Nicht näher, Mädchen!“ Steven tippte etwas in eine Tastatur, die zwischen zwei Rohren an einer Außenwand der Basis angebracht war.
Helle Strahlen entflammten plötzlich in bläulichem Licht. Abyss und Bo blickten auf. Gibbli wich einen Schritt zurück. Um die Maschine herum bildete sich in einigen Metern Entfernung eine runde Kuppel. Wie es aussah, gab es absolut keine Möglichkeit, die Vorrichtung im Inneren überhaupt auch nur zu berühren.
„Jetzt ist es sichtbar.“ Der Oceaner trat wieder zu ihnen.
„Und wie kommen wir da durch?“, fragte Abyss und kam ebenfalls näher heran.
„Gar nicht, Mensch. Jeder, der den Schild durchschreitet, stirbt. Ganz einfach. Ja, ja, ganz simpel.“
„Dann schießen wir die Maschine da drin doch einfach weg! Ich spreng das Teil von hier.“
„Tss, zwecklos. Denkst du, daran hätte ich nicht gedacht? Keine Materie wird auf diese Art bis zur Vorrichtung gelangen. Sie wird verlangsamt. Dieses Feld ist unauflösbar. Ich habe es in einer für die Mog nicht zugänglichen Ebene verankert.“
„Kannst du keinen Roboter bauen, der da durchgeht?“, fragte Bo. „So wie Cora, nur ohne Geist.“
Steven schüttelte den Kopf. „Zu wenig Material der benötigten Ebene. Weder menschliche noch oceanische Maschinen funktionieren dort drin. Ich baute zwei Roboter mit Material aus einer anderen Ebene, aber mehr gewährten mir die Wesen dieser Ebene nicht und die sind zu klein, das einzige was die können ist den Boden wischen.“
„Du kannst es nicht von hier aus gemacht haben.“ Gibbli trat an das Bedienfeld heran, durch das der Oceaner die Schildoberfläche zum Leuchten gebracht hatte. Sie stellte fest, dass es weder eine Zeitschaltung noch eine Verbindung nach innen gab.
„Was hast du wie gemacht?“, fragte Bo.
„Mit einem Schalter. Ein Knopfdruck. Oh ja, Steven kann gut Köpfe drücken. Ich meinte Knöpfe. Ach egal, Knöpfe, Köpfe, Gehirne, ist doch alles das gleiche.“
Gibbli nickte genervt. „Aber nicht von hier. Sonst könntest du sie auch von hier aus abschalten.“
„Natürlich nicht, Mädchen. Wozu auch? Sie sollte ja nie abgeschaltet werden können.“
„Du hast sie also von innen eingeschaltet. Du warst dort drin. Das bedeutet, du kannst den Schutzschild durchqueren“, schloss Sky.
„So schlau, so schlau. Ja, das seid ihr. Aber nicht schlau genug. Jeder kann hindurch. Hindurchlaufen und Sterben und Tanzen und Springen und was ihr wollt. Nur nicht in dieser Reihenfolge.“
Gibbli beobachtete, wie Jack einen Finger ausstreckte, um die Hülle des Schildes zu berühren. Abyss musterte ihn mit abfälliger Miene. Es leuchtete kurz auf und kleine Blitze fuhren hindurch. Doch sonst passierte nichts. Jack zog den Finger wieder zurück.
„Na schön. Ich gehe rein“, sagte Sky.
„Nein!“, schrie Steven und packte ihn am Arm.
„Wenn es einen Grund gibt, warum nicht, dann rede endlich! Wir müssen sie abschalten!“
„Das sagte ich bereits Kapitän. Wer hindurch geht, stirbt.“
„Du bist nicht gestorben! Ich will wissen, warum.“
„Ein Schalter Sky, darum. Ja. Genau. Ich drückte nur einen einzigen Knopf, um die Maschine einzuschalten. Den dort hinten.“ Steven deutete durch den Schild hindurch zur Maschine hin und zog seinen Arm dann wieder heraus.
Auf einer Seite der Vorrichtung konnte Gibbli ein Kontrollpult erkennen. Ein Hebel befand sich über dem Display und kleine Schalter darum herum verteilt.
„Man stirbt nicht sofort, oh nein. Der Schutz ist raumübergreifend, eine Kugel. Ihr seht nur die leuchtende Hülle davon, aber er besteht voluminös im Inneren. Und er zögert bei organischen Verbindungen. Diese Verzögerung baute ich ein, um sie einzuschalten. Aber nicht, um sie wieder auszuschalten.“
„Wie lange?“, fragte Abyss.
„Ein paar Sekunden, nicht länger. Das schaffst du nicht Mensch. Okay, gut, möglich, dass es klappt, aber unwahrscheinlich. Und derjenige, der dort drin ist, wird dem Schild zu lange ausgesetzt sein. Oh ja, das Abschalten benötigt Zeit, mehr als das Anschalten. Jemand müsste den Hebel dort oben hinabdrücken und dann auf der Konsole die Vorrichtung herunterfahren. Das dauert um einiges länger als ein paar Sekunden. Der Hebel muss gedrückt bleiben, während man die anderen einzeln abschaltet. Ich könnte die Strecke überbrücken, indem ich mich in die Ebene der Mog verschiebe. Aber das Bedienen der Vorrichtung selbst muss hier erfolgen, in dieser Ebene. Nicht einmal ich würde das überleben.“
„Aber es ist möglich“, stellte Sky fest.
Steven schüttelte den Kopf. „Hört doch auf Steven! Ich bin ein Genie! Selbst wenn man es schnell genug schaffen würde, was, wie ich bereits sagte, unwahrscheinlich ist, derjenige würde mit Sicherheit diese Welt verlassen.“
„Es ist möglich“, wiederholte Sky. Langsam drehte er sich um. „Deine Aufgabe, Jack.“
Jack kniff die Augen zusammen, überrascht, so direkt von Sky angesprochen zu werden. Dann schüttelte er den Kopf. „Nein, sicher nicht. Ich bin oberster Anführer der Landmenschen.“
„Ein aufgeblasener Wichtigtuer, der verzweifelt dem Kapitän seiner größten Feinde hinterherrennt, trifft es eher“, fuhr Abyss ihn an.
Doch Jack ignorierte ihn, gemäß der Abmachung mit dem Kapitän. „Sky, ich gebe Befehle. Ich werde gebraucht. Mein Volk braucht mich! Jemand anderes sollte das tun.“
„Mit jemand anderes bin dann wohl ich gemeint“, gab Sky zurück, wandte sich wieder der Maschine zu und verschränkte die Arme. „Andere Ideen? Irgendjemand?“
Gibbli spürte auf einmal, wie jemand sie von hinten packte. Erschrocken stieß sie die Luft aus.
„Hey!“, brüllte Abyss.
„Lass sie los!“, schrie Bo.
„Keiner rührt sich!“, rief Jack.
Steven grinste nur und bewegte sich nicht von der Konsole weg. Abyss zog sein Messer, doch Sky umschloss blitzschnell sein Handgelenk, um ihn aufzuhalten. Er raunte ihm etwas zu, woraufhin Abyss sein Messer sinken ließ. Gibblis Atem beschleunigte sich. Das durfte er nicht! Jack stand viel zu nahe hinter ihr!
„Mache keinen Fehler, Jack“, sagte der Kapitän ruhig und hob beide Arme.
Gibbli wollte ihn treten, ihn schlagen, ihre Zähne in seine Haut rammen, in das eklige Fleisch, das sie fest umklammerte. Doch stattdessen stand sie nur da, erstarrt vor Schreck.
„Keinen Fehler? Sky, ich meinte nicht dich! Die Maschine muss abgeschaltet werden! Aber weder du, noch ich, sollten hierfür unser Leben geben! Sie soll es tun“, sagte Jack. „Sie ist kein Mensch, sie gehört nicht hier her, sie ist schuld an allem!“
Sky, der eben noch Jack gemustert hatte, ließ seinen Blick sinken. Und Gibbli sah auf, in sein Gesicht. Er fixierte sie mit den unheimlichen Implantaten.
„Gibbli“, sagte Sky leise.
War das eine Zustimmung? Sollte sie es tun? Dort hinein gehen? Sie würde es sofort, wenn der Kapitän es befahl und wenn Jack sie dann endlich losließ. Doch je länger Sky sie musterte, desto mehr hatte sie das Gefühl, dass der Kapitän etwas anderes von ihr erwartete.
„Sky!“, murmelte Abyss ungeduldig hinter ihm. Doch der Kapitän schüttelte kaum sichtbar den Kopf. Währenddessen ließ er Gibbli nicht aus den Augen, als wollte er ihr etwas sagen.
„Stopp, er kommt nicht näher, oder ich schubse sie in den Schild! Noch habe ich sie nicht verletzt. Ich habe die Vereinbarung nicht gebrochen und ich habe es auch nicht vor. Aber sie sollte es tun. Sky, sie ist kein Verlust für die Menschheit. Sie muss es machen!“
Der Kapitän starrte direkt in ihre Augen. Plötzlich begriff Gibbli. Sie schlug unvermittelt mit ihrem Stiefel in Jacks Schienbein. Er keuchte auf, für einen Moment lockerten sich seine Finger. Das nutzte sie. Schnell zog Gibbli ein Werkzeug aus ihrer Tasche hervor, wirbelte herum und schlug mit aller Kraft auf den Flottenführer ein. Überrascht taumelte er nach hinten und krallte sich an einem Rohr fest. Gibbli wich schnell einen Schritt von ihm weg, als er einen Arm nach ihr ausstreckte. Währenddessen eilte Sky an ihr vorbei. Er entriss ihr im Gehen den großen Schraubenschlüssel und schlug damit gegen Jacks Schädel. Benommen kippte dieser zur Seite und blieb dann am Boden liegen.
„Ein Anführer schickt seine Leute nicht in den Tod, Jack“, sagte Sky leise zu seinem reglosen Körper. „Und das hier ist nicht Gibblis Schuld. Es ist deine. Und Stevens. Und damit auch meine.“
Außer Atem starrte Gibbli den Flottenführer an. „Ist er ... ist er ...“
Bo trat mit ihrem Messgerät heran, kniete sich in einigem Abstand neben ihn und scannte seine Werte. „Nein. Er ist nur bewusstlos.“
„Ich hab ihn nicht berührt“, flüsterte Gibbli schnell. „Mein Schraubenschlüssel war das, ich hab deine Vereinbarung nicht gebrochen, er hat mich angefasst, nicht ich ihn, ich habe-“
„Es ist alles in Ordnung, Gibbli“, unterbrach Sky sie. Er drehte sich ihr langsam zu. „Du hast ja doch etwas von mir gelernt. Gut gemacht.“ Er warf ihr den Schraubenschlüssel zu. Dann trat er an ihr vorbei an den Schutzschild der Kugel heran.
Gibblis Mundwinkel zogen sich kaum merklich nach oben. Ihr Blick traf den von Abyss, der erleichtert zurücklächelte. Währenddessen stand Steven scheinbar gelangweilt ein paar Schritte hinter ihm.
„Ich mache es“, sagte der Kapitän plötzlich mit fester Stimme und alle drehten sich zu ihm.
„Das darfst du nicht!“, rief Bo sofort und sprang auf.
„Abyss, komm her“, befahl Sky.
„Kapitän, das ist ein sinnloses Opfer“, sagte Steven.
„Wir überlegen uns etwas anderes“, meinte Bo.
„Wir gehen auf die Mara und dehnen die Schilde über die Maschine hinweg aus“, schlug Gibbli vor. Es mussten sich sowieso mehrere Personen an Bord befinden, damit es funktionierte.
„Was?“ Steven schüttelte wild den Kopf. „Nein, nein, nein, nein! Nicht mein Boot!“
„Nicht meine Crew.“, stimmte der Kapitän zu. „Im Übrigen ist die Mara mein U-Boot und jetzt schweigt, ich habe nicht vor, sie zu zerstören! Abyss, komm her.“
„Aber dich?“, fragte Abyss leise, „Sky, tu das nicht ... du ...“
„Verflucht, jetzt mach schon!“
Langsam setzte er sich in Bewegung und trat auf den Kapitän zu. Sky hob beide Arme und legte sie auf seine Schultern.
„Und jetzt?“, fragte Abyss, als wäre der Kapitän völlig verrückt.
Sky schwieg für einen Moment und blickte ihn nur eindringlich an. Gibbli schluckte nervös. Die Sekunden schienen sich zu endlosen Minuten auszudehnen.
„Hey, falls du vorhast, mich jetzt zu küssen, dann ramme ich dir mein Messer in den Bauch“, knurrte Abyss.
Der Kapitän lachte kurz, dann wurde seine Miene wieder ernst. „Abyss.“ Er legte eine Hand auf seine Wange. „Ich ernenne dich hiermit zum Kapitän der Mara.“
Abyss packte ihn ungläubig am Arm. „Was ... nein Mann, Sky was ... das kannst du nicht ... Ich kann das nicht!“
„Du wirst deine Rolle gut spielen.“
„Aber es bleibt eine Rolle!“
„Darin bist du doch perfekt. Ich kenne niemanden, der das besser hinbekommen würde. Falls ich es nicht schaffe die Maschine abzuschalten, trägst du die Verantwortung. Bring sie auf das U-Boot. Rette sie. Rette meine Crew.“
„Sky ...“
„Ich muss es wenigstens versucht haben. Ich verlasse mich auf dich.“ Ohne ein weiteres Wort von Abyss abzuwarten, wandte er sich von ihm ab. Kurz blieb sein Blick an Gibbli und Bo hängen. Dann nickte er Steven zu und trat durch die leuchtende Hülle in die Kugel hinein.
Abyss öffnete ungläubig den Mund.
Gibblis Augen weiteten sich.
„Nein“, hauchte Bo.
Steven schloss resignierend die Augen.
Sie beobachteten, wie Sky mit aller Kraft gegen Schmerzen anzukämpfen schien, nachdem er vollkommen in das Feld eingetaucht war. Er setzte langsam einen Schritt vor den anderen, sichtlich unter großer Anstrengung. Der Kapitän taumelte leicht, doch seine Beine trugen ihn bis zur Konsole. Seine Finger umschlossen zuckend den Hebel der Maschine. Gibbli verfolgte gebannt, wie er sich ein Stück bewegte. Ein winziges Stück nur. Ganz langsam rastete er endlich am Ende ein. Sky sackte nach unten, doch er hielt sich am Hebel fest, während er zwei weitere Schalter drückte. Dann glitt seine Hand ab. Er stürzte zu Boden, zuckend, seine Augen weit offen.
Sky hatte es nicht geschafft.
Geschockt blickten sie auf ihren Kapitän. Das konnte nicht wahr sein. Das durfte nicht wahr sein! Das hier war nicht echt. Sicher träumte Gibbli wieder. Bestimmt. Doch Gibbli schlief nicht. Sie spürte, wie Abyss sich ihr näherte, fühlte seine Wärme direkt hinter ihr.
„Wir müssen hier weg“, murmelte er.
„Wir können ihn nicht dort liegen lassen!“, rief Bo.
Irritiert beobachtete Gibbli, wie im Inneren der Kuppel zwei kleine Roboter auf den Kapitän zu tuckerten. Waren das Greifarme und Besen an ihrer Seite?
„Hol ihn da raus“, sagte Bo tonlos.
Steven presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen.
„Hol ihn raus!“, schrie sie wieder an Steven gewandt.
Der Oceaner zuckte mit den Schultern. Dann zog er das Gerät aus seiner schillernden Hose, mit dem er durch Wände gehen konnte. Seine Finger lösten es aus. Gibbli beobachtete gebannt, wie er langsam mit seiner Umgebung verschmolz und vor ihren Augen beinahe unsichtbar wurde. Lediglich ein weißlicher Nebel blieb zurück. Dieser schien den Raum widerzuspiegeln. Der weiße Schleier, der sich auf Sky zubewegte, erinnerte Gibbli an einen Mog. Dann wurde Steven wieder sichtbar. Er stieß einen der Roboter beiseite, der sich an Sky zu schaffen gemacht hatte und schleifte den leblosen Körper mit sich. Die zweite Maschine verfolgte ihn und fuhr den Boden wischend hinter ihm her bis zum Rand der Schutzvorrichtung. Sie tauchten hindurch.
Steven ließ ihren ehemaligen Kapitän vor ihnen fallen. Dann fiel er selbst auf alle viere und rang angestrengt nach Luft.
„Was?“, fragte er, als er ihre ungläubigen Gesichter erblickte.
Abyss nickte ablehnend zu den Robotern hin.
„Na, ich kann doch da drin nicht putzen. Wer soll denn die ganzen ekligen Leichen wegmachen, wenn sich Eindringlinge hereinschleichen? Niemand beschmutzt meine wunderschöne Maschine!“ Er verstummte und rollte sich auf den Rücken. Dann schloss er für einen Moment die Augen und stöhnte erschöpft auf. Das Feld schien ihm ziemlich zugesetzt zu haben.
„Er hat angefangen, wenn ich jetzt reingehe und-“
„Sinnlos“, rief der Oceaner vom Boden aus.
„Du hast mir gar nichts zu sagen! Ich bin jetzt der Kapitän!“, fuhr Abyss ihn an. „Ich bin ... ich ...“ Er schien die Idee aufzugeben.
„... du bist die unvernünftige Ordnung, die nicht akzeptieren will, was sie nicht ändern kann. Du weißt, dass es nicht geht, Mensch. Du würdest es ebenfalls nicht lebend rausschaffen“, sagte Steven leise. „Der Hebel ist bereits in seine Ausgangsstellung zurückgefahren.“
Gibbli spürte eine Träne über ihr Gesicht laufen.
Sky war tatsächlich tot.
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