Kapitel 25: Meine Crew (Bis in die tiefsten Abgründe)
„Höre du endlich auf, mir zu folgen, und hilf mir Steven zu finden!“, knurrte Sky, als er durch das runde Tor trat, dicht gefolgt von Jack.
Der Kapitän erblickte sie und blieb abrupt stehen. Gibbli saß neben Abyss am Tisch in der Zentrale. Dieser hatte es sich bequem gemacht und die Beine hochgelegt. Steven zeigte Bo gerade die Aufzeichnungen eines misslungenen Experiments der Oceaner, bei dem sie versucht hatten, eine ausgestorbene Pilzart nachzuzüchten.
„Bo? Gibbli? Abyss! Du bist ... ihr seid doch ... ich hatte dafür gesorgt, dass ihr nicht hier sein solltet!“
„Tja, da hast du wohl was falsch gemacht“, meinte Abyss und richtete sich auf. „Wir sind hier. Vorausgesetzt du bist wach und bildest dir dich uns nicht ein.“
„Idiot! Was verflucht noch mal tut ihr hier?“, fuhr der Kapitän sie an.
„Wir wohnen hier“, sagte Bo fröhlich. „Wusstest du, dass man in großen Lebewesen Pilze züchten kann?“
„Was ... Nein! Steven, wo warst du? Ich sagte, du sollst nicht ... und ihr, ihr solltet nicht hier sein!“
„Doch, das sollten wir. Wir sind deine Crew“, widersprach Gibbli. „Deine Crew ist hier. Genau da, wo sie hingehört. Auf deinem Boot.“
„Tja, Kapitän, entweder musst du uns retten oder wir werden mit dir untergehen“, sagte Steven und dann zu Bo gewandt: „Nun, es ist nicht besonders angenehm für den Wirtskörper. Haha, die Dinger wachsen dann überall aus einem raus.“
„Wie kann ein U-Boot untergehen?“, fragte Bo. „Es ist doch schon im Wasser?“
„Ähm ...“, Steven wandte sich Gibbli zu. „Vertauchen? Zerfließen?“
„Verschmelzen“, gab sie zurück.
„Aber du wirst uns nicht verschmelzen lassen, oder Sky? Das willst du nicht. Du wirst uns retten“, sagte Abyss leise.
„Ich ...“ Skys Finger spannten sich an. „Ihr seid ... arrrg!“ Er wandte sich von ihnen ab und stieg die Rampe zur Galerie hoch, dicht gefolgt von Jack.
Gibbli musste es tun. Ihretwegen hatte die Maschine erst ausgelöst. Wenn sie Steven nicht durch das Portal geschubst hätte, wäre das alles nicht passiert. Sie war sich sicher, dass der Kapitän ihren Vorschlag ablehnen würde, aber sie musste es wenigstens versuchen. Alle warteten auf seinen Befehl. Doch Sky stand seit fast zwei Stunden seelenruhig ganz vorne am Geländer der Galerie und blickte aus dem großen Frontfenster. Nervös biss sie sich auf ihre Lippen. Er hatte mit niemandem gesprochen, seit sie zurück waren. Sky hob seinen Kopf, als sie näher an ihn herantrat.
„Ich werde schuld sein, wenn der Planet-“
„Gibbli, nein. Hör auf damit! Das ist schlicht und einfach falsch“, unterbrach Sky sie und blickte wieder nach unten.
„Das weiß ich doch“, sagte sie leise.
Sky lächelte. „Ich kann ihm nicht böse sein. Weißt du, ich bin froh, dass der Oceaner meinem Befehl hierzubleiben nicht gefolgt ist. Das ist okay. Es ging schließlich um sein Leben. Ich habe nicht das Recht, es zu opfern.“
„Aber wir ... wir sollten das mit dem Schutzschild dennoch in Erwägung ziehen. Es bleibt nicht mehr viel Zeit. Es kann jeden Moment geschehen. Sky, wenn du die anderen wieder wegschickst, ich bleibe hier. Und ... und wenn du auch hierbleiben würdest, dann würde Jack dir sicher folgen. Drei Leute genügen für den Schild. Wir weiten ihn aus, um die Maschine herum. Wir ziehen deinen Plan durch, mit mir statt Steven.“
„Mit dir, hm. Und willst du Abyss bewusstlos schlagen und von Bord tragen oder soll ich es tun?“, fragte Sky belustigt. „Nein Gibbli. Keiner von euch wird dieses Boot noch einmal verlassen.“ Der Kapitän drehte sich zu ihr um. „Und das ist auch nicht deine Entscheidung.“
„Was gibt es da zu entscheiden? Ich stimme zu“, sagte Jack plötzlich. Er zog den Ärmel seiner Uniform zurecht.
Gibbli erschrak. Sie hatte nicht gehört, wie er an sie herangetreten war. Er kam ihr schon fast wie ein Schatten Skys vor, den er niemals verlieren würde. Sie blickte vorbei an den Pflanzen und sah wie erwartet Abyss, der jetzt auch näher kam. Seit sie wieder an Bord waren, verfolgte er jede einzelne Bewegung Jacks und Gibbli war aufgefallen, dass Abyss es sogar missbilligte, wenn der Kerl sich auch nur in der Nähe des Kapitäns oder irgendjemandem von ihnen aufhielt.
Sky, der sich gar nicht erst umgedreht hatte, blickte hinab auf die Zentrale. Die drei Stühle vor den Konsolenreihen erleuchteten im schwachen Licht der Sonnenstücke. „Ich habe die Wahl. Meine Crew zu retten oder die gesamte Menschheit. Alle Wesen dort draußen. Den Planeten.“
Gibbli wich zurück, als Jack energisch neben ihn trat und das Geländer mit einer Hand umklammerte. „Wie kannst du da überlegen?“
„Ich überlege nicht“, gab der Kapitän frohmütig zurück. „Ich habe mich bereits entschieden.“
„Gut. Dann los! Bevor es zu spät ist!“
Sky drehte sich ihm langsam zu. „Du hast Recht, Jack. Es gibt nichts zu überlegen.“
„Was? Nein!“, rief Abyss.
In diesem Moment kamen Bo und Steven aus dem Pflanzenlabor. Das Marahang drehte sich gemächlich in ihrer Brust und Steven erzählte wohl gerade irgendetwas, was Bo zum Lachen brachte. Die beiden verstummten, als sie Gibbli und die anderen am Geländer erblickten.
„Deine Entscheidung war richtig“, sagte Jack und nickte. „Wir werden zusammen untergehen, Sky. Wir beide und das Mädchen. Und wenn die anderen wollen, dann können sie meinetwegen hierbleiben, ist mir egal. Damit bin ich einverstanden.“
Der Kapitän schüttelte langsam den Kopf. „Ich frage mich, was deine Meinung geändert hat.“
„Geändert? Sky, ich war immer dafür! Es muss getan werden! Das einzige, was ich vermeiden wollte, ist, dass du oder ich dabei sterben. Aber wenn die Landmenschen dadurch überleben, ist es für mich akzeptabel, mit dir zusammen zu sterben. Ich will nur bei dir sein, wenn es passiert.“
Sky nickte und drehte sich wieder zum Frontfenster hin. „Es interessiert mich nicht, was du willst, Jack.“
„Sky“, sagte Bo leise. „Ich mag ihn nicht, aber was sind unsere Leben gegen das von Milliarden wert? Wir werden sie alle retten. Wir stehen hinter dir.“
„Ich wusste, dass es so kommen wird, Kapitän. Ich hab’s dir gesagt, ja, das habe ich. Schon vor allen Zeiten, schon immer, ich bin schlau, ich wusste es.“
„Damit sind es also bereits vier Stimmen. Jack. Gibbli. Bo. Steven. Was ist mit dir, Abyss?“, fragte Sky, ohne sie anzublicken.
Abyss zuckte mit den Schultern. „Ich bin dagegen. Aber meinetwegen, so lang Gibbli dabei ist, folge ich dir überall hin, Kapitän.“
„Also ist dies das Ende. Wir dürfen nicht mehr länger warten, Sky. Wir müssen es jetzt tun, bevor es zu spät ist!“, drängte Jack.
„Ach, sollten wir das?“ Der Kapitän wandte sich ihnen wieder langsam zu. „Wie gut, dass es nicht eure Entscheidung ist. Denn ich wählte die Crew.“
Alle hielten mitten in ihrer Bewegung inne.
„Meine Crew.“
Mit einem Schlag war es totenstill. Mehr als das, Gibbli hatte das Gefühl durch negative Schallwellen erfasst zu werden. War so etwas überhaupt möglich?
„Ich wählte euch“, sagte der Kapitän wieder und blickte belustigt in die ungläubigen Gesichter.
„Was?“ Es war Jack, der als erstes seine Stimme wieder gefunden hatte. „Du sagtest ... du ...“
„Ich sagte, ich habe die Entscheidung getroffen. Eine leichte, darüber muss ich nicht nachdenken. Ich sagte nicht, dass ich mich für den Planeten entscheide.“
Fassungslos öffnete Jack den Mund. „Sky!“
Er hob den Kopf und blickte ihn direkt an. „Jack.“
„Das kannst du nicht ... Sky, nein! Die Landmenschen -“
„Ich bin nicht ihr Führer, das bist du, Jack. Und schon gar nicht trage ich die Verantwortung über den gesamten Planeten. Das täte ich, wenn du mich nicht gefeuert hättest. Dann hätte ich für die Menschheit entschieden. Ich hätte es gemusst, es wäre meine Pflicht gewesen. Doch jetzt ist meine Pflicht eine andere. Ich habe einen Eid geleistet. Einen Schwur, den jeder Flottenführer der Elite ablegt. Meine Crew über alles. Meine Crew ist das Wichtigste. Und für sie opfere ich alles. Ich habe versucht, es anders zu lösen, ich habe sie fortgeschickt, Jack. Aber sie sind zurückgekommen. Sie sind alle hier. Um ihr Überleben zu gewährleisten, war ich bereit, mein eigenes Leben zu geben. ICH BIN bereits für sie gestorben! Und für sie bin ich bereit, die Verantwortung der Vernichtung des gesamten Planeten zu tragen. Meine Crew ist hier. Nicht dort draußen, Jack. Ich bin ihr Kapitän und ihnen allein gilt meine Loyalität. Nicht der Welt dort draußen, nicht den Landmenschen. Und als Allerletztes dir.“
Jack fuhr ihn zornig an: „Du ... du vernichtest die Menschheit, Milliarden von Wesen, Tiere, die Tiefseemenschen, Hochseemenschen, ...“
„Oh, bitte“, warf Abyss ein, „die haben dich doch noch nie interessiert!“
„Sky, du vernichtest unsere Art! Einfach alles, nur um deine mickrige Crew vor dem Tod zu bewahren?“
„Ja, Jack. Genau das mache ich. Ich nehme eine Schuld auf mich, mit der ich leben kann. Eine Schuld, mit der ich klar komme. Wenn meiner Crew etwas passieren würde, dann könnte ich mir das nie verzeihen.“ Er trat einen Schritt auf ihn zu und Gibbli durchfuhr ein Frösteln. „Mit Djego bist du zu weit gegangen. Was du ihn hast tun lassen, ist unverzeihlich. Was DU getan hast, ist unverzeihlich. Und ich werde nicht zulassen, dass du auch nur einem meiner Leute noch ein einziges Haar ausreißt.“
„Das kannst du nicht tun! Das bist nicht du! Verdammt, du hättest das Mädchen dort unten bei der Maschine vorschicken sollen!“
„Das bin nicht ich? Jack, Jack, Jack ... Angenommen, ich hätte es getan, angenommen, ich hätte meine Technikerin in den Tod geschickt.“
„Nur über meine Leiche!“, knurrte Abyss.
„Nicht mein Mädchen!“, rief Steven.
„Was wäre darauf gefolgt? Nun, zuerst hätte ich Abyss beseitigen müssen, der sich mir in den Weg stellen würde. Einen Freund, dem ich vertraue. Einen Freund, den ich mehr schätze als jeden anderen Menschen dieses Planeten zusammen. Und dann der Oceaner. Steven, der ihren Tod für verfrüht hält und ihn niemals zulassen würde. Und einen Tiefsee-Landmenschhybriden, Bo, die das Leben über alles schätzt, sie würde sicher nicht tatenlos zusehen. Sie hat mein Leben gerettet! Und dann, wenn ich alle aus dem Weg geräumt hätte, würde ich Gibbli sich opfern lassen. Ein Kind, für das ich die Verantwortung trage. Und danach, wenn sie tot wäre und sie unwahrscheinlicherweise deine armselige Welt gerettet hätte, müsste ich mich letztendlich selbst umbringen. Da ich meine eigenen Leute ermordet hätte. Gerechtigkeit Jack. Tot gegen tot.“
„Das würdest du nicht tun! Du würdest dich nicht selbst-“
„Ich habe mich bereits selbst geopfert!“, fuhr er ihn an und sprach dann ruhig weiter: „Du vergisst da etwas, Jack. Ich liebe das Leben. Und noch mehr als all die Leben dort draußen, liebe ich das Leben meiner Crew. Ich liebe meine Crew, Jack. Meine Crew wird überleben! Um jeden Preis. Sie zu opfern ist keine Option für mich. Das war es nie. Und dieses U-Boot gehört mir. Die Mara ist ein sicherer Ort, unser zu Hause und wird es für alle Zeit bleiben.“
„Sky, du vernichtest die Menschheit!“, brüllte er den Kapitän an.
„DU VERNICHTEST DIE MENSCHHEIT! Ich habe dich gewarnt, Jack, immer und immer wieder! Es lag alles in deiner Hand!“ Seine Stimme wurde wieder ruhiger. „Du hättest sie retten können, Jack. Den Planeten. Sie alle. Wenn du früher auf mich gehört hättest. Wenn du nach meinen Worten gehandelt hättest, wenn du nicht so egoistisch gewesen wärst, die Menschen voneinander fernzuhalten. Landmenschen. Hochseemenschen. Tiefseemenschen. All die Jahre hast du nie auf mich gehört. Wir sind eine Art und zusammen wären wir stark gewesen. Zusammen wäre es nie so weit gekommen. Jetzt ist es zu spät. Und du trägst die Schuld. Du allein.“
„Sky, das ist krank, das kannst du nicht machen! Das ist nicht fair! Ist das nicht immer dein Leitsatz gewesen? Gerecht ist, wenn einem passiert, was man anderen antut?“
Der Kapitän lachte kurz auf. „Das ist er noch immer. Was denkst du, was mit deinem Spion passiert ist?“
Gibbli trat einen weiteren Schritt von ihnen zurück. Sie schluckte, als sie Abyss‘ bemerkte, der aussah, als stände er kurz davor zu explodieren. Sein Atem wurde schwerer, während er Jack und Sky zähneknirschend beobachtete.
Jack schüttelte den Kopf. „Nein. Das glaub ich dir nicht. So bist du nicht, so ...“
„... unbarmherzig? Abyss bleib ruhig. Ich habe nie behauptet, dass ich ein barmherziger Kapitän bin.“
Einen Moment lang blickte Jack ihn an, dann grinste er. „Du kannst dich nicht an mir rächen.“
Sky grinste zurück und schwieg.
„Abyss“, flüsterte Gibbli. Er schnaufte bedrohlich laut und seine Muskeln spannten sich gefährlich an.
„Und er kann es auch nicht. Ich hab dir nichts getan, Sky.“
„Das habe ich auch nie behauptet, Jack.“
„Ich hab dich nicht angerührt, Sky! Nie!“
„Halt endlich dein Maul, du kranker Misthaufen!“, brüllte Abyss plötzlich. Mit gefletschten Zähnen und einem Messer in der Hand stürzte er auf Jack zu.
Gibbli fragte sich, woher er das so schnell hatte, dann fiel ihr auf, um welches es sich handelte: Das Messer, das jetzt in ihrem Stiefel fehlte. Sein Lieblingsmesser.
Sky packte Abyss am Arm und hielt ihn mit dem Messer fest.
„Egoistischer Bastard! Dir sind die Leben dort draußen doch egal, du Mörder!“, schrie Jack jetzt Abyss an. „Misch dich nicht ein! ICH habe deinem Kapitän nichts getan! Absolut gar nichts!“ Er wandte sich wieder Sky zu, der gerade abschätzend Abyss‘ Messer betrachtete, das dieser unter seiner Faust umklammert hielt. „Sky, mein ganzes Leben lang habe ich dich nicht einmal angefasst! Ich gab dir nie auch nur die Hand zur Begrüßung! Was also wirfst du mir vor? Was, Sky?“
Der Kapitän zog mit der freien Hand seinen Strahler und schoss.
Lange noch, nachdem Jack auf dem Boden auftraf, wagte es niemand, sich zu bewegen. Sky stand da, so unglaublich ruhig, als würde er so etwas jeden Tag machen. Stille legte sich wie ein schwarzer Nebelschleier über die Anwesenden. Für einen Moment dachte Gibbli, sie wäre taub.
Dann durchdrang seine raue Stimme die Galerie: „Kein Wort zu Abyss, sonst erschieße ich dich. Das sagte ich. Du hast soeben die Abmachung gebrochen, Jack.“
Abyss öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Ein paar Strähnen seiner Haare hatten sich aus dem Band gelöst und hingen ihm in sein blasses Gesicht. „Ich hätte nicht erwartet, dass du es wirklich ... Ich ... bin ... beeindruckt, Kapitän.“
Erst jetzt ließ Sky seine Faust mit dem Messer los. Dann lächelte er. „Er hätte längst sterben sollen. Die Maschine unten in der Mogbasis wäre seine Aufgabe gewesen. Er hat meinen Tod zu verantworten.“
„Krank“, sagte Steven. Er wirkte geschockt und begeistert zugleich, als würde er gerade das beste Theaterstück seines Lebens genießen. „Du bist das einzige Wesen im Universum, das ich kenne, welches sogar seinen eigenen Tod persönlich gerächt hat. Ich revidiere meine Aussage. Man kann jemanden zurück umbringen, nachdem man gestorben ist.“
Sky seufzte. Er nahm Abyss‘ Arm mit dem Messer, das dieser noch immer wie erstarrt in der Luft erhoben hielt und drückte ihn nach unten. „Sei vorsichtig. Du verletzt sonst noch jemanden damit.“ Dann schritt er an ihnen vorbei durch die Galerie, zur Rampe, die hinunter führte. „Ich wäre euch überaus dankbar, wenn ihr dieses Stück Dreck von meinem Boot entfernen würdet.“
Steven trat einen Schritt vor.
„Oh nein, Oca, der gehört mir“, knurrte Abyss und grinste böse. Er bückte sich, packte Jacks Leiche an den Haaren und schleifte ihn mit sich davon.
Einen Moment betrachtete Steven irritiert die Blutspur, die er hinter sich herzog. Dann wandte er sich in die entgegengesetzte Richtung. „Kapitän! Hey, Sky, warte mal, ich habe Fragen ...“ Steven trat nach vorne und sprang über das Gelände hinab in die Zentrale ins untere Stockwerk.
„Sie hat sich immer überall verlaufen, erinnerst du dich?“
„Ja“, sagte Gibbli und blickte am Geländer hinab. Irgendwo unter ihnen hörte sie die Stimmen der Männer. Sie sprachen leise miteinander. Samantha würde sich nie wieder verlaufen. Wehmütig erinnerte sich Gibbli daran, wie die junge Frau immer versucht hatte, sie dazu zu bringen, mehr zu essen. Jetzt würde sie nie wieder ihre leckeren Kuchen probieren können.
Bo trennte ein dunkelgrünes Blatt einer Pflanze ab und versuchte, daran zu riechen. „Wir werden hier drin sterben, oder?“
Gibbli zuckte mit den Schultern. Wenn sie nichts mehr kaputt machen würde, wie etwa die Schilde des U-Boots, konnten sie vielleicht bis in alle Ewigkeit hier leben. Die Mara lief völlig autark. Steven hatte ihr erzählt, dass sie außerdem die gleichen Regenerierungsenergiefelder besaß wie Ocea, gekoppelt mit dem Willen organischen Materials. Das bedeutete, niemand hier drin würde altern, der es nicht wollte.
„Denkst du, sie leben weiter? Irgendwo? Irgendwann?“, fragte Bo.
„Nein. Sie sind dann anders.“ Die Menschen würden nie existiert haben und gleichzeitig immer existent sein. Aus ihrer Sicht von der Mara aus würden sie das aber nicht erkennen. Denn sie würden gefangen sein, in ihrer kleinen materiellen Blase des letzten Restes eines dreidimensionalen Raumes. Wer mit Bezugssystemen rechnete, erkannte niemals das Ganze. Auch das hatte der Oceaner ihr beigebracht. Man musste absoluter denken, um die wahre Natur der Existenz zu begreifen. Man müsste dafür die Mara und die Dimension des Lebens verlassen und sie von außen betrachten.
„Ich kann mir das nicht vorstellen.“
Fragend hob Gibbli den Kopf.
„Das dort draußen“, sagte Bo und nickte nach vorne. Ihr Blick glitt über das Geländer hinweg zum Fenster hinaus. „Dass dann alles gleichzeitig sein soll. All die Schmerzen deines ganzen Lebens, alle Verluste, immer da. Ich würde durchdrehen. Ich würde sterben wollen. Ich würde das nicht aushalten.“
Gibbli überlegte, wie sich so eine Form der Existenz anfühlen würde. Jede Angst, jede Demütigung und die Ablehnungen ihr gegenüber der anderen auf der Akademie, immer das Gefühl, nicht zu genügen, nicht genug getan zu haben, alles, was ihr je widerfahren war, in einem Moment vereint.
Plötzlich bildeten sich tiefe Risse vor ihnen im Wasser. Stevens Maschine stellte offenbar die Scanvorgänge ab. Draußen am Frontfenster durchzogen die Löcher die Umgebung und stockten am Rande des Schutzschildes. Gibbli hatte mittlerweile begriffen, wie er funktionierte. Er war kein Schild um die Mara herum, der nur an den Außenseiten wirkte, nicht auf zwei Ebenen beschränkt. Er war mehr ein fünfdimensionales Feld, eine Raumzeitgravitationskugel. Er bestand überall auf dem Boot und bildetet dennoch eine Art Hülle.
Ein leichtes Ruckeln durchfuhr die Mara.
„Ist es so weit?“, fragte Bo.
Sie rannten zur Rampe in die Zentrale hinunter. Das Wasser vor dem Frontfenster leuchtete jetzt in allen erdenklichen Farben auf. Abyss trat gerade zu Steven und Sky heran, die vor dem Abgang hinab zu den Konsolen hinter dem runden Tisch standen.
„Faszinierend“, sagte der Oceaner. „Gleich passieren wir den Zeitpunkt, an dem alles zusammen bricht. Die Welt geht in eine neue Ebene über und mit ihr alles Leben. Bis zum Rand des Planeten. Vernichtet. Für immer.“
Mit einem Schlag wurde alles dunkel, als würde irgendetwas die Mara mitziehen. Als würden sie in eine Art Strudel fallen. Doch sie fielen nicht wirklich, das alles passierte nicht im Raum. Die drei Raumebenen außerhalb verschmolzen zu einer. Gibbli hatte das Gefühl, nichts mehr zu sehen, doch die Besatzung der Mara befand sich noch immer hier, mitten in der Zentrale. Sie spürte ihre Anwesenheit in der Dunkelheit. Gibblis Gedanken erfassten ein paar Sonnenstücke und ließen diese heller strahlen. Abyss stand neben ihr. Die ganze Crew stand hier. Sie waren alle noch da. Nur das Außen war weg. Draußen gab es nichts mehr, was ihr Verstand erfassen konnte.
„Sie sind alle tot“, raunte Skys Stimme leise durch das U-Boot.
Steven und Bo starrten wie versteinert an den Konsolenreihen vorbei nach draußen.
„Dein Plan, die Stadt zu retten, hat nicht funktioniert, Kapitän.“
„Ich verrate dir etwas, Abyss. Bevor du in mein Leben getreten bist, hat jeder meiner Pläne funktioniert.“
„Hm, dann hättest du mich wohl rauswerfen sollen. Ach, stimmt, das hattest du ja. Hat ebenfalls nicht funktioniert.“
„Idiot.“ Sky stieß laut die Luft aus.
„Es ist mein Werk“, flüsterte Steven und schüttelte andächtig den Kopf. „Ich habe sie gebaut. Meine Maschine.“
„Wann begreift ihr es endlich? Es ist immer die Schuld eures Kapitäns.“ Sky blickte sie alle durchdringend an. Seine Stimme klang müde. „Es wird immer die meine sein.“
„Na dann“, sagte Abyss. Er nickte, ohne den Blick vom Frontfenster abzuwenden. „Herzlichen Glückwunsch, Kapitän. Du hast dein Ziel erreicht. Eine tolle, leere Welt. Ohne Menschen. Ohne Leben. Ohne Materie. Ohne ... allem. Und sie gehört dir. Du bist der Führer der Innereien des letzten U-Bootes, das noch übrig geblieben ist. Da hast du deine Weltherrschaft.“
Der Kapitän schwieg.
Abyss sprach weiter: „Wie war das mit, du würdest niemals einen Planeten vernichten?“
Skys Mundwinkel zogen sich nach oben. „Du hattest Recht, Abyss, auf dem Planeten der Mog, als du ihn fast zerstörtest. Ich an deiner Stelle hätte es auch getan. Nun, ich hätte es nicht nur getan.“
Er hatte es getan.
Als Gibbli durstig die Rampen aus dem Maschinenraum hochstieg, erblickte sie den Kapitän. Er saß mit verschränkten Armen allein auf dem mittleren der drei Stühle. Die Navigationshebel hingen nutzlos auf der Seite. Es gab jetzt nichts mehr, wohin er sie steuern konnte. Für einen Moment verspürte sie den Drang, kehrtzumachen. Doch er hatte sie schon gesehen und es wäre jetzt komisch gewesen, wieder umzudrehen. Also trat Gibbli stattdessen langsam an das Frontfenster und blickte nach draußen, in das farblose Nichts.
Nach einer Weile begann Sky ruhig zu sprechen. „So wertvoll. Jede Seele. So verletzlich. So treu. So stark. So wertvoll.“ Er hielt kurz inne. „Es war nicht Jacks Schuld. Es war meine Entscheidung. Milliarden von Wesen. Da draußen gibt es nichts mehr. Ich habe tatsächlich einen ganzen Planeten ausgelöscht. Für euch.“
„Bereust du es?“, rutschte es ihr heraus.
„Keinen Augenblick“, antwortete er sofort.
Wieder schwiegen sie. Nach einer Weile stand er auf und stellte sich neben Gibbli an das Fenster.
„Denkst du noch an ihn?“, fragte er leise.
Sie schluckte und schüttelte schnell den Kopf.
„Gut. Das ist gut.“
Gibbli wartete einen Moment, dann drehte sie sich um und trat an den Konsolen vorbei, hoch zum runden Tisch. Das aufbereitete Wasser in der Küche trat aus der Öffnung. Sie trank etwas davon. Stevens helle Stimme ertönte irgendwo im oberen Stockwerk. Wahrscheinlich nervte er Bo beim Schneiden der Pflanzen. Als Gibbli sich an den runden Tisch setzen wollte, merkte sie, dass Sky ihr gefolgt war. Er stand jetzt mit dem Rücken an das Geländer neben dem Abgang gelehnt und beobachtete sie. Gibbli trat neben ihn und stützte sich am Geländer ab. Ihr Blick blieb an den Baumstämmen hängen, die sich jeweils links und rechts neben den Stühlen nach oben in die Galerie erstreckten. Die letzten noch existierenden Bäume.
„Ich hätte besser aufpassen müssen“, sagte der Kapitän. „Nachdem ich Djego ... bestrafte, merkte ich nicht, dass er zurückkam. Ich ließ mich ablenken.“
Gibbli blickte ihn nicht an. „Ich habe dich abgelenkt“, sagte sie verlegen.
„Nein, damit meine ich nicht, dass es ein Fehler war für dich zu sorgen“, gab Sky sofort zurück. „Nein, mein Fehler begann viel früher. Ich verlange immer, dass ihr mir vertraut. Dabei ... wäre es genau so wichtig, dass ich euch vertraue. Ich hätte auf Abyss hören sollen. Er wollte ihn umbringen. Er wollte es schon immer. Da wusste er noch nicht einmal, was Djego dir antun würde oder was er Sam antun würde. Er wollte es von Anfang an, seit er ihn das erste Mal erblickte, als hätte er es geahnt. Er ist wirklich gut im Menschen lesen. Ich hätte Abyss nicht ständig aufhalten dürfen.“
„Die Vergangenheit ist vorbei“, sagte Gibbli. „Steven sagte mir, dass wir immer jetzt leben. Es ist nicht von Bedeutung, was war, nur was ist.“
„Das ist ... eine schöne Einstellung. Ungewohnt, so etwas aus deinem Mund zu hören.“ Er lächelte. „Seine Art mag manchmal grausam sein, aber dieser Oceaner weiß, wie man lebt. Es ist gut, so wie es jetzt ist. Ich habe dich gerächt. Und Sam. Bleibt nur ein Punkt, eine einzige Sache, die ich jetzt nicht mehr ändern kann. Jack ist tot.“
Gibbli betrachtete ihn erstaunt. Jack hatte es doch verdient. Sah Sky seinen Tod nicht als fair an?
„Ich schulde dir wohl eine Antwort auf eine Frage, die du nie gestellt hast.“
Sie wandte sich ihm zu. Wovon sprach er? Gibbli wollte ihn tatsächlich etwas fragen. Seit einiger Zeit schon. Sky betrachtete die große Kugel, die halb durchsichtig über dem Tisch schwebte. Doch er schwieg. Als er nach ein paar Sekunden noch immer nicht weiter sprach, gab sich Gibbli einen Ruck.
„Liebst du ihn? Abyss?“
Er hob die Augenbrauen. Das war offensichtlich nicht die Frage, die er erwartet hatte. Sky schüttelte den Kopf. „Behauptet er das noch immer?“ Er zögerte und ließ sich Zeit mit einer Antwort. Dann verzog der Kapitän den Mund zu einem Lächeln und schloss für einen Moment die Augen. „Wenn ich jetzt ja sage, würde es dir etwas ausmachen?“
Gibbli überlegte.
„Ich sage nicht ja.“ Er seufzte. „Es hätte mich nur interessiert. Gibbli, Abyss ist nicht dazu im Stande, Liebe von Freundschaft zu unterscheiden. Das war er noch nie.“
„Das verstehe ich nicht.“
„Sei mir nicht böse, aber du bist mies, was das angeht. Er hingegen ist unfähig im Begreifen von echtem, zwischenmenschlichem Verhalten. Bei ihm fällt es nur nicht auf, weil er seine Rollen hervorragend spielt. Es hat etwas gedauert, bis ich das begriff. Für ihn gibt es zwei Arten von Beziehungen. Feinde und Leute, die er mag. In die zweite Gruppe haben es bisher, soweit ich weiß, erst zwei Menschen geschafft.“
„Der Mönch“, sagte Gibbli leise.
„Ja. Und du.“
„Das ist Unsinn. Er würde dich und Bo niemals auf die gleiche Stufe wie Jack stellen.“
„Doch, Gibbli. Genau das tut er. Ich bin mir nicht sicher, ob er mich jemals als Kapitän ansehen oder Bo oder Steven als Freunde akzeptieren wird. Er sieht sich nicht als Teil der Crew. Er spielt diese Rollen lediglich. Kannst du dir nicht denken, warum?“
„Für ... mich?“
Sky nickte. „Nur darum ist er hier. Nur darum rammt er mir keines seiner Messer in den Rücken. Und das reicht mir. Solange du die Crew als deine Familie betrachtest, muss er zwangsläufig auch so tun, als ob er es täte.“
„Woher weißt du das alles über ihn?“
„Weil er es mir sagte“, antwortete Sky schlicht. Als Gibbli ihn mit großen Augen ansah, fügte er hinzu: „Er ist ehrlich zu mir, weil ihm bewusst ist, dass ich mich durch Lügen nicht manipulieren lasse. Wenn du ehrlich zu mir bist, lasse ich dir fast alles durchgehen. Und das weiß er. Eine meiner Stärken, die er gekonnt als Schwäche ausnutzt. Aber das ist okay. Letztendlich zählt für mich nicht, wie er es sieht, sondern wie er handelt. Er ist noch immer gefährlich. Vergiss das niemals.“
Gibbli fiel etwas ein, was Sky nicht wissen konnte. Dann lächelte sie und meinte: „Ich glaube, er log, wenn er dir das gesagt hat.“
Der Kapitän seufzte. „Ich sehe es schon kommen, irgendwann wird einer von euch den anderen vernichten.“
„Die Crew ist ihm wichtig, Sky und du auch.“
„Erklär mir, was dich zu dieser Annahme bringt.“
„Naja, als du tot warst, hat er sich nicht so verhalten, als wär ihm das egal gewesen. Er verlor die Kontrolle und er war nicht bereit, dich zu ersetzen.“
„Das ist ... interessant. Danke, dass du mir das erzählst. Wenn das stimmt, wäre das ein unglaublicher Fortschritt, den er gemacht hat.“
Für eine Weile schwiegen sie. Nachdenklich ließ Gibbli ihren Blick hinab über die Konsolen schweifen, zu den drei Sitzen. Alles lag ruhig da, so endgültig und friedlich.
„Sky ... kann ich ... kann ich dich noch etwas fragen?“ Es war ihr peinlich. Dennoch grübelte sie darüber bereits eine ganze Weile nach.
Er nickte. „Stell deine Frage.“
„Woher wusstest du es? Dass Djego ... was er tat. Du kannst es nicht gesehen haben und ich hab es dir nie gesagt, aber du hast es sofort gewusst, nicht wahr? Schon als ich rein kam.“
Der Kapitän musterte sie lange. Viel zu lange. War sie zu weit gegangen? Sie hätte sich nicht zu dieser Frage hinreißen lassen dürfen, dieses ganze Gespräch machte sie nervös. Es war ungewohnt offen. Sie wünschte sich zurück nach unten in den Maschinenraum. Es war schwer genug, Abyss‘ Fragen auszuweichen, aber mit dem Kapitän über Djego zu sprechen, das ging einfach nicht.
„In einem Punkt liegst du falsch“, sagte er ruhig. „Ich wusste es, als du hereinkamst. Ich brauchte dich nur anzusehen, da war es mir klar.“
Gibbli blickte zu Boden. „Nein. Du konntest das Blut nicht sehen. Nicht sofort.“
„Richtig. Es war dein Blick. Ich sah es in deinen Augen.“
Sie presste die Lippen zusammen. Abyss hatte einmal gesagt, dass man in ihrem Gesicht lesen konnte, wie in einem offenen Hologramm. War das wirklich so offensichtlich gewesen?
„Gibbli, du bist nicht die einzige, die auf diese Art verletzt wurde. Ich sah in deinen Augen, was ich jedes Mal sehe, wenn ich in einen Spiegel blicke.“
Sie öffnete den Mund und hielt dann inne. Sie brauchte ein paar Sekunden, um zu verstehen, was er gerade gesagt hatte. Gibbli hob ungläubig den Kopf. „Jack?“ Es war nur ein gehauchtes Wort, als sein Name ihre Lippen verließ.
Sky zögerte, dann nickte er. „Und ich kann mich nicht mehr rächen. Ich wüsste nicht, wie ich das anstellen soll, selbst wenn er noch leben würde. Ich kann es nicht und ich hoffe, Abyss verzeiht mir das eines Tages.“
Fragend hing sie an seinen Worten. Was hatte Abyss damit zu tun?
„Das tragische daran ist, er dachte die ganze Zeit, ich müsste ihm verzeihen. Er war es, der ständig versuchte, es wieder gut zu machen, obwohl ich das hätte tun sollen. Ich vermutete, von einem Feind, von mir abhängig zu sein, zu denken, in meiner Schuld zu stehen, hat sehr an ihm gezehrt. Dabei war es nie die seine. Und er war es, der sagte, wir sind quitt. Es ist nur, ich kann mir selbst nicht verzeihen, dass ich ihm das antat. Dass ich es zuließ, was Jack ihn hat tun lassen. Aber eins musste ich tun, verstehst du? Ich musste Jack töten.“
„Tun lassen?“ Gibbli kam nicht mehr mit.
„Erinnerst du dich an das Gefängnis, als wir im Zentrumsturm waren?“
Gibbli dachte daran, wie er Sky zugerichtet hatte, an die Wunden in seinem Gesicht, an seiner Schulter, an das gebrochene Bein und an die vielen nicht sichtbaren Verletzungen, die sie sich gar nicht genauer vorstellen wollte. „Warum hat Jack das getan? Warum hat er dich ...“ Sie verstummte, als sie es begriff, noch bevor er ihr antwortete. Das war es also, wovon Abyss gesprochen hatte, seine Angst.
„Es war nicht Jack. Jack tut nicht. Er lässt tun. Jack log nicht, als er sagte, er hätte mich nie berührt. Jack dachte damals noch, wir hätten dich entführt. Er dachte zuerst, du hättest so getan, als würdest du auf unserer Seite stehen, damit wir dich am Leben lassen. Doch schnell merkte er, dass ich dich tatsächlich als Teil meiner Crew sah. Er erkannte, wie viel du Abyss bedeutest. Das allein hätte ihm nicht viel genutzt. Aber er erkannte außerdem etwas, was ihm gar nicht gefiel. Wie viel Abyss mir bedeutet. Er ist Teil meiner Crew und mein bester Freund und ich hoffe noch immer, dass er das irgendwann begreifen wird. Ich gab mein Leben für ihn. Für jeden von euch. Jack ließ uns im Glauben, er hätte dich ebenfalls gefangen genommen und würde dich verhören, dich verletzen, wenn wir nicht alles taten, was er uns befahl. Er wusste, dass Abyss alles tun würde, um das zu verhindern. Und er wusste, dass ich alles zulassen würde, was Abyss tat. Dass ich mich niemals gegen ihn stellen würde.“
„Nein“, flüsterte Gibbli betroffen.
„Du kannst dir denken, welche Macht ihm das über uns gab. Und warum er das tat? Weil Menschen eben dumme Dinge tun, wenn sie jemanden lieben, der diese Liebe nicht erwidert. Und zu erkennen, dass ich für euch alle, für dich und jemanden wie Abyss mein Leben geben würde, zu begreifen, dass ich ihn, Jack, niemals lieben würde, brachte ihn zur Verzweiflung. Ich konnte ihn noch nie leiden. Wie ich bereits sagte, Jack war niemand, der sich selbst die Finger schmutzig machte. Jack war kein Macher, er ließ machen. Er gab Befehle. Und die Leute taten, was er sagte. Und wenn sie es nicht taten, dann zwang er sie dazu. Er drohte ihnen. Er stellte sie vor eine Wahl, durch die sie gar nicht anders handeln konnten als nach seinen Wünschen. Er erpresste sie.“
Skys schwarzen Augen durchdrangen die ihren. Gibbli hörte, wie sich die Türen zum Gang vorm MARM hinaus öffneten und jemand die Zentrale betrat, als der Kapitän hinzufügte:
„Mit Dingen oder Personen, die man liebt. Für die man alles tun würde.“
Abyss kam näher. In einer Hand hielt er seinen alten Geigenbogen. „Du hast es ihr gesagt“, stellte er fest.
Sky wandte sich langsam von Gibbli ab. Dann trat er an Abyss vorbei. Als er ihn passierte, hielt er kurz inne. Er lächelte, drehte sich ihm zu und sagte leise: „Ihr könnt fallen, bis in die tiefsten Abgründe. Ihr könnt hinein springen. Ihr könnt euch gegenseitig hinabschubsen. Bedeutungslos. Denn ich stehe immer am Grund und warte unten, um euch aufzufangen. Verlasst euch darauf.“ Dann schritt er davon.
„Du wusstest das die ganze Zeit über. Du warst dabei, du ...“, flüsterte Gibbli. Nein, er war nicht nur dabei. „... du warst das.“
Abyss hob seinen Arm. Sanft strich er mit den Maschinenfingern über ihre Wange. „Für meine kleine Schwester würde ich alles tun, Gibbli.“
Ich führe euch durch die Dunkelheit.“
Sky
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