Kapitel 13: Mooks (Bis in die tiefsten Abgründe)

Während Gibbli aufgebracht in den Gängen der Stadt umherirrte, wurde sie immer unvorsichtiger. Sie hielt nach Djego Ausschau und hoffte gleichzeitig, ihn nicht zu finden. Verdammt, was tat sie hier eigentlich? Was würde Abyss nur über sie denken? Wie konnte sie ernsthaft in Erwägung ziehen, diese dämliche Aufgabe anzunehmen? Noch ein Problem, mit dem sie sich jetzt herum schlagen musste. Als gäbe es nicht schon genug. Außerdem verabscheute sie Berührungen jeglicher Art! Wenigstens hatte Steven nicht verlangt, dass sie Djego umarmen sollte. Das wäre ja noch schlimmer gewesen.
„Hey, hey, hey, vorsichtig!“, rief er, als sie um die nächste Ecke bog und mitten in ihn hinein rannte.
Djego nahm sie an den Oberarmen und schob Gibbli ein Stück von sich weg. Oh nein! Schnell trat sie einen weiteren Schritt zurück. Irgendwie schlich dieser Kerl ständig in ihrer näheren Umgebung herum.
„Was ist los? Kann ich dir helfen?“
„Ich ... nichts ... ich meine ... ich ... ich brauche etwas ... also“, stammelte sie.
„Du brauchst etwas“, wiederholte Djego und fixierte sie prüfend. „Was brauchst du, Vielleichtfreundin?“
Gibbli biss sich auf die Lippen. Warum war es in seiner Nähe so schwer, erst zu denken und dann zu sprechen? „Hast du es Jack gesagt? Wird er sie abschalten?“, fragte sie schnell, um ihn von sich abzulenken.
„Wird er es abschalten, du meinst die Störsender? Eine gute Frage. Ich ... weiß es nicht. Jack hält sich derzeit in der Akademie auf. Immerhin hat er neben seiner Belagerung hier ein ganzes Volk zu führen. Er kommt erst in einer Stunde zurück. Was brauchst du?“
Gibbli öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Nervös betrachtete sie seine Lippen.
Djego legte den Kopf schief und grinste. „Das war unhöflich von mir. Entschuldige. Lass mich die Frage anders formulieren. Wo befindet sich, was du brauchst?“
In der Hütte des Mönchs, war ihr erster Gedanke. Dann kam ihr eine Idee. „In Jacks Ausrüstungslager.“
Djego betrachtete sie nachdenklich. Mit dieser Antwort hatte er wohl nicht gerechnet. Gibbli trat einen weiteren Schritt zurück. Sie hatte zu viel gesagt. Jetzt würde er nachfragen. Er würde wissen wollen, was sie brauchte und warum und wenn sie ihm erzählen musste, dass sie den Schutzschild kaputt gemacht hatte, würde er es Sky erzählen und Steven würde fragen, warum sie vor ihm stand und ihre Aufgabe nicht erledigte und eigentlich wünschte sie sich im Moment nichts sehnlicher als in die runde Kuppel des Mönchs. Dort befand sich, was sie jetzt wirklich brauchte. Dort war Abyss.
„Wenn du möchtest, kann ich dich dort hinbringen“, schlug Djego vor.
Gibbli brauchte ein paar Sekunden, bis seine Worte in ihren Versand sickerten. „Du fragst mich nicht, warum ich dort hin will? Du fragst mich nicht, was ich von dort brauche? Du willst nicht wissen ... was ich ... was ...“
„Nun, normalerweise stelle ich die Fragen nicht, die Fragen werden mir gestellt. Ich finde nur Antworten. Ich biete Lösungen und Informationen.“
Er bot ihr eine Lösung. Eine gute. Oder nicht? „Die Soldaten, wie sollen wir dort ungesehen hineinkommen?“, fragte sie flüsternd.
„Ich bin Spion, Gibbli. Frag mich nach einem Eingang und ich treibe zehn weitere Wege auf, wie du dort hingelangst. Also was ist, sollen wir uns holen, was du brauchst?“
Gibbli zögerte. War es eine gute Idee, mit ihm mitzugehen? Konnte sie ihm trauen? „Ich weiß nicht, ich ...“ Der kaputte Schutzschild musste repariert werden! „Okay.“

 

Mit einem unbehaglichen Gefühl schlich Gibbli hinter ihm durch die Gänge, Stockwerk für Stockwerk, immer weiter nach unten. Sie hatte längst den Überblick verloren, wo genau sie sich befanden. Als sie von einem Hauptgang aus in einen schmaleren Weg zwischen zwei Gebäuden einbogen, blieb Djego plötzlich stehen.
„Warte. Hier kommt gleich eine größere Gruppe durch.“ Er blickte sich suchend um.
„Wohin jetzt?“, fragte Gibbli leise.
Djego deutete auf einen Raum ein paar Meter weiter. „Geh da rein.“
„Aber-“
Er kam ihr plötzlich unangenehm nah und legte eine Hand auf ihre Wange. Ihre Haut kribbelte unter seinen Fingern. „Gibbli. Vertrau mir. Ich lenke sie ab.“
Vor Aufregung zitternd tat sie, was er sagte und schlich in den Raum. Dieser war klein und besaß nur den einen Eingang.
Djego drückte das Tor hinter ihr zu. „Ich bin gleich zurück!“
„Warte, man kann das nur von ...“
Die Luke verriegelte sich.
„... außen öffnen.“

 

Ein paar Minuten vergingen. Die Sonnenstücke in der Luft leuchteten schwach. Es waren nur sieben Stück. Gibbli hatte sie bereits mehrmals gezählt. Sonst gab es hier kaum etwas. Zwei Maschinen verbanden eine Konstruktion und ein paar goldene Rohre führten neben weiteren nutzlosen Leitungen an der Decke entlang. Den Sinn des Raumes hatte sie nicht ergründen können. Um sich die Zeit zu vertreiben, drehte Gibbli an den Schaltern der beiden Maschinen herum. Natürlich rührte sich nichts. Wann kam er endlich zurück? Ungeduldig ging sie auf und ab. Hatte er sie reingelegt? Verdammt, er würde sie sicher Jack ausliefern! Oder? Nein, Djego war auf ihrer Seite. Gibbli legte ihre Hand auf eine der Wände, als diese rings um sie herum zu vibrieren begannen. Nach ein paar Sekunden ebbte es ab. Das Beben musste weiter entfernt stattgefunden haben. Beunruhigt betrachtete sie die Öffnung der Luke. Warum brauchte er denn so lange? Ein Geräusch ertönte und der Eingang bewegte sich. Na endlich!
Oh verdammt, das war nicht Djego!
Mit aufgerissenen Augen starrte Gibbli auf die beiden Soldaten. Die Soldaten starrten zurück. So ein Mist! Bevor Gibbli reagieren konnte, ertönten zwei gewaltige Schüsse und die Männer kippten vornüber zu Boden. Sie waren tot! Rauch stieg aus den verschmorten Löchern in ihren Körpern auf. Doch hinter ihnen tauchte jemand auf, der noch viel gefährlicher aussah als die Soldaten: Skarabäus Sky.
Seine Hände umfassten eine Waffe, viel größer als sein Handstrahler. Das Ding sah aus, als könnte es sogar Oceas Wände durchbohren. Doch Gibbli war sich sicher, dass die bis auf’s äußerste angespannten Finger, die es hielten, im Moment auch Wände durchschlagen konnten.
„Diese Unvernünftigkeit kostet dich noch deinen im Moment offensichtlich nicht mehr vorhandene Verstand“, fuhr er sie mit bedrohlich ruhiger Stimme an. „Sag mir sofort, was du hier unten treibst.“
Sie wich vor ihm zurück und stotterte: „W-Was treibst du hier unten?“
„Dich hier rausholen! Was hab ich dir beigebracht? Jetzt zieh deine Waffe!“
Sie beeilte sich, seinem Befehl zu folgen, bevor er auf die Idee kam, ihr dieses große Ding um die Ohren zu hauen. „Woher wusstest du, dass ich hier bin?“
„Ich bin es leid, nicht zu wissen, was ihr alle ständig treibt! Ich versuche, den Feind im Auge zu behalten, dabei schaffe ich es nicht einmal, meine eigene Crew nicht aus den Augen zu verlieren!“
„Woher wusstest du es?“
„Ich will jetzt kein Wort mehr von dir hören! Komm mit.“
Ehe sie etwas tun konnte, drehte er sich um und ging. Gibbli eilte hinterher.
„Du hast ungehöriges Glück, dass ich das hier mitbekam!“, fauchte er leise. „Wenn ich nicht wieder den Soldaten hinterherspioniert hätte, um mehr über Jacks Vorhaben herauszufinden, wärst du jetzt sicher in seiner Gewalt!“
Nein, wäre sie nicht. Oder? Djego wäre zurückgekommen! Warum spionierte der Kapitän eigentlich? War das nicht Djegos Aufgabe? Traute er ihm nicht? Sky musste öfter hier unten umher schleichen. Beschämt blickte Gibbli zu Boden. Sie blieben an einer Ecke stehen, als ein paar Soldaten aus einem Gebäude rannten.
Sky hob seine gigantische Waffe und schoss. Gibbli schluckte. Er tötete. Sky tötete Soldaten!
Er musste verdammt wütend sein. Merkte er überhaupt, was er da tat? Was würde er mit ihr machen, wenn sie es zurück auf die Mara schafften? Gibbli hatte schon wieder Mist gebaut. Wie unvorsichtig konnte ein Mensch sein? Was, wenn Djego sie tatsächlich absichtlich eingesperrt hatte? Wie kam sie nur auf die dämliche Idee, ihm zu folgen?
„Woher hast du dieses Teil?“, fragte sie zitternd.
„Ich weiß es nicht. Da ging wohl einer von Jacks Männern unvorsichtig mit seinem Besitz um.“ Er schoss wieder. Dann lächelte er sie düster an. Ein Lächeln, das sich nicht über seine Augen erstreckte. „Wir sollten sie besser nicht Abyss zeigen.“
„Okay“, flüsterte Gibbli und nickte schnell. Weil Abyss ja so viel mehr damit machen würde, als der Kapitän gerade. Aber wenn Sky so drauf war, würde sie allem zustimmen, was er sagte, selbst wenn er behaupten würde, Bananen seien gelb. Mit weichen Knien folgte sie ihm und hoffte, er würde das Ding niemals auf sie richten.
„Dafür, was ich hier gerade für dich anrichte, solle dein Grund wirklich gewaltig gut sein“, murmelte Sky.
Gibblis Puls raste. Scheiße, das würde gewaltigen Ärger nach sich ziehen.
Es war ruhiger um sie herum geworden. Plötzlich ertönte ein weiterer Schuss. Das Geräusch klang mehr wie ein Zischen, als das tiefe Wummern aus der neuen Waffe des Kapitäns.
Sky zuckte.
Gibbli öffnete den Mund.
Sky ebenfalls. Als hätte jemand am Rad der Zeit gedreht, schwankte er quälend langsam ein Stück zur Seite.
Gibbli zog die Luft ein.
Die Waffe löste sich aus seinen Fingern.
Gibbli nahm das ohrenbetäubende Klirren nicht wahr, als sie am Boden auftraf.
Er blickte sie an.
Und sie blickte zurück. Fassungslos, während Blut durch sein weißes Hemd drang.
„Gibbli“, befahl er ruhig und dann mit beinahe tonloser Stimme: „Lauf!“ Seine Füße gaben nach. Er fiel. Lautlos.
In ihrer Starre erreichten die Geräusche des Aufpralls ihr Innerstes nicht. Sie starrte geschockt auf seinen leblosen Körper. Gibbli wollte schreien und bekam den Mund nicht auf. Einige Sekunden vergingen, die ihr vorkamen wie Stunden. Ihre Stiefel schienen mit dem Boden zu einer homogenen Masse verschmolzen zu sein. Gleichzeitig überschlug sich ihr Atem.
„Sky“, flüsterte sie ungläubig.
Dann schlug etwas gegen ihren Schädel. Dumpfer Schmerz durchzuckte Gibblis Kopf. Und alles wurde dunkel.

 

Ihr Kopf tat weh. Gibbli richtete sich vorsichtig auf, tastete an den Hinterkopf und befühlte die Beule. Langsam wurde ihr bewusst, dass sie sich in einem kleinen Raum befand. Die Schlaffläche, auf der sie eben noch gelegen hatte, war weich gepolstert. Eine dunkelgelbe Decke lag am Boden. Sie musste hinab gefallen sein, während sie bewusstlos gewesen war. Gibbli blickte sich im Zimmer um.
Die Einrichtung wirkte modern und klar. Silberfarbene Regale und Schubfächer bedeckten eine der Wände. Kabelschläuche führten aus allen Richtungen zu einem Kontrollkasten mit abgedunkeltem Display. Auf der gegenüberliegenden Seite erstreckte sich ein eckiges Fenster. Kleine Quallen schlängelten sich zwischen aufsteigenden Blubberblasen hindurch, ins Licht der Tagessimulationslampen. Diese verdunkelten sich zusehends. Es musste später Abend sein. Gibbli konnte schemenhafte Gestalten im Gebäude gegenüber erkennen. Noch weiter in der Ferne ragten riesige Bauten im Wasser empor. Verbunden mit Gängen erstreckten sie sich über jeweils mehrere Stockwerke. Dazwischen gab es kleinere Gebäude und ein paar öffentliche Plätze, in denen die Gänge zusammen liefen. Mooks. Das hier war Mooks, die Hauptstadt der Landmenschen. Die größte je unter dem Meer errichtete Ansammlung von Gebäuden. Nicht direkt das Stadtzentrum, es musste sich um einen der unzähligen Außenbezirke handeln. Diese waren in sich geschlossen und besaßen jeweils einen kleinen Hafen sowie einen zentralen Kommunikationsbereich.
Der Kapitän, schoss ihr durch den Kopf. Gibbli eilte zur Tür. Sie fuhr automatisch auf. Dahinter lag ein enger Wohnraum. Auch hier gab es eine Steuerkonsole für die Einrichtung. Auf einer Seite stand ein Becken, in das ein Rohr führte, gerade so dick, dass ein einzelner Can hindurch flitzen konnte. Darin befand sich etwas Wasser darin, doch kein Lebewesen. Es gab einen kleinen Tisch aus dunklem Metall mit zwei glatten Hockern. Auf einem saß ein Soldat. Er blickte auf und seine rostroten Locken fielen ihm in die Stirn. Djego.
Gibblis Herz schlug schneller. Vor ihm dampfte ein Teller mit gebratenem Lachs. Der Duft ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen. Doch sie durfte jetzt nicht daran denken, sie musste hier weg! Von diesem Raum aus gab es zwei Durchgänge. Einer führte vermutlich in ein Badezimmer, der andere hinaus zur Eingangsschleuse, in die Gänge der Siedlung. Gibbli rannte an ihm vorbei, in der Hoffnung die richtige Öffnung zu erwischen. Sie zog an der Luke. Doch diese war verschlossen.
„Hey, ganz ruhig.“ Djego sprang auf und trat an sie heran.
Gibbli fuhr herum und presste sich an die Tür. Sie tastete nach ihren Werkzeugtaschen. Doch diese waren nicht mehr an ihren Oberschenkeln befestigt.
„Deine persönlichen Gegenstände liegen dort auf dem Tisch.“
„Lass mich gehen!“, flüsterte sie befehlend.
Er kam näher.
Gibbli schnappte panisch nach Luft. Das war zu nah! „Lass mich raus!“
„Du möchtest raus?“
Ja, verdammt, das hatte sie doch gesagt! Seine Art, alles zu wiederholen, was jemand aussprach, ging ihr auf die Nerven. Er hob die Hände und wischte ihre Haare aus dem Gesicht, wie er es sonst immer mit den Locken auf seiner Stirn tat. Gibblis Haut fing bei seiner Berührung an zu Kribbeln.
„Ich möchte aber nicht, dass du raus gehst. Jetzt wo du endlich wach bist. Du hast fast einen ganzen Tag geschlafen, da hatte ich doch gar nichts von dir. Die Druckveränderung im Aufzug bekam dir wohl auch nicht so gut. Du solltest dich ausruhen.“
„Ich bin nicht müde!“, hauchte sie kaum hörbar.
„Du bist nicht müde? Aber du wirkst erschöpft. Die Soldaten sind hinter dir her. Ich habe dich bewusstlos vor einem Gebäude gefunden, ein Stockwerk über der Kammer, in der du warten solltest. Du warst verletzt. Du solltest dich jetzt hinsetzen und mit mir essen. Es ist frisch vom Marktplatz. Ich konnte noch die letzten Lachse erhalten, bevor sie geschlossen haben.“
„Ich hab keinen Hunger!“ Ihr Bauch protestierte gegen diese Worte. Doch wie konnte sie jetzt etwas essen, wenn Sky möglicherweise ... Nein, er durfte nicht tot sein, er war der Kapitän! „Wo ist Sky?“
„Warum fragst du nach Kapitän Sky? In Ocea nehme ich an. Ich kann verstehen, dass du durcheinander bist.“ Er streckte die Hände aus und nahm sie an den Schultern. „Ich wollte dich holen und dann kam dieses Beben und du warst nicht mehr da. Ich habe mir Sorgen gemacht!“
Unsicher blickte Gibbli ihn an. Meinte er das ernst? Also hatte er sie nicht eingeschlossen, um sie Jack auszuliefern? Djego schob sie zu einem der Stühle und drückte sie nach unten. Ihre Füße gaben unter seiner Berührung nach und sie sackte auf den Hocker am Tisch.
„Ich hatte Sorge, die Soldaten hätten dich geschnappt.“
„Sky hat mich geschnappt“, sagte Gibbli leise und wünschte sich, er würde nicht so nahe vor ihr stehen.
„Sky ... das ist ... gut? Hey, wir sind doch noch Vielleichtfreunde?“ Fragend legte er den Kopf schief.
Sie durfte sich nicht von diesen anziehenden Augen beeinflussen lassen! „Wo ist er?“, fragte sie hartnäckig.
Djego setzte sich ihr gegenüber und Gibbli atmete erleichtert aus. Seine Nähe machte sie nervös.
„Ich weiß nicht, wo dein Kapitän ist. Er war nicht da, als ich dich gefunden habe. Du hast vor diesem Gebäude gelegen. Allein.“
„Aber er war da! Jack hat ihn“, flüsterte Gibbli entsetzt.
„Jack soll ihn haben? Jack will dich tot sehen, warum sollte er ihn mitnehmen und dich nicht?“
„Ich ... ich weiß es doch nicht ... Wir müssen ihn suchen! Wir müssen ... lass mich raus!“, schrie sie ihn an und sprang wieder auf. „Warum hast du mich überhaupt hier her gebracht? Warum nicht zur Mara?“
„Warum ich das getan habe? Vielleicht, weil ich mich dort nicht erwünscht fühle? Vielleicht, weil ihr mich nie in euer Boot rein lasst? Und vielleicht, weil ich dachte, du wärst gerne in meiner Nähe?“
„Was?“
Djego schüttelte den Kopf. „Hör zu, du ... du hast doch gesagt, du brauchst etwas. Ich frage auch nicht nach, warum du es brauchst, versprochen. Aber wenn du mir wenigstens sagen würdest, wonach genau wir suchen, dann ...“
Gibbli hörte ihm nicht mehr zu. Er lenkte nur ab. Er dachte, sie wäre gerne in seiner Nähe? Was sollte denn das bedeuten? Warum dachte er überhaupt Dinge über sie? Warum dachten Menschen immer solche komischen Sachen? Gibbli schloss die Augen. Verdammt, das war doch jetzt nicht wichtig! Sky war wichtig. Sie musste Sky finden. Sie blickte auf und direkt in Djegos Augen. Erschrocken zog sie die Luft ein. Er stand wieder vor ihr.
„Lass mich geh’n“, bat Gibbli leise.
„Es sind Verbrecher. Mörder! Dein Kapitän kann dich nicht schützen! Er war der beste Flottenführer der Elite. Aber jetzt hat er sich verändert. Er ist selbst zur Gefahr geworden!“
Gibbli dachte an die toten Soldaten. Hatte Djego recht? Sky hatte sie eiskalt erschossen. Warum? Nur weil er ihretwegen wütend war? Oder möglicherweise weil er sie beschützen wollte. Egal was der Grund war, Sky war ihr Kapitän. Sky hielt sie am Leben. Sky hielt sie zusammen.
Djego nahm sie an den Schultern. „Bleib hier. Bei mir. Ich verstecke dich. Jack wird dich nicht finden. Und die anderen auch nicht. Du musst nicht zurück.“
Abyss würde Gibbli überall finden, egal wohin Djego Gibbli bringen würde. Und sie wollte, dass er sie fand. „Ich will zurück!“, sagte sie mit fester Stimme.
„Zurück“, wiederholte er ihre Worte und kam näher auf sie zu. Gibbli schluckte, als Djego ihr Kinn berührte. „Das ist schade.“
Ohne ihn aus den Augen zu lassen, griff sie nach ihrer Werkzeugtasche.
„Wirklich schade“, wiederholte Djego leise. Seine Hand wanderte von ihrem Gesicht hinab und strich sanft über ihren Hals.
Ihre Finger krallten sich um die Schnallen. Sie stellte sich vor, wie sie ausholte und ihm das Ding samt Inhalt über den Schädel zog. Das konnte sie tun. Oder? Dann wurde sie sich Djegos Gesicht direkt vor ihrem bewusst. Wann hatte er es geschafft, ihr unbemerkt so nahezukommen? Stevens Aufgabe kam ihr in den Sinn. Wäre das nicht der perfekte Moment dafür? Nein, verdammt, sie musste Sky finden!
Plötzlich hämmerte etwas gegen die Eingangstür.
Djego erschrak und wich sofort von ihr zurück. Währenddessen zog Gibbli schnell die Tasche zu sich heran und schnallte sie sich wieder um, wo sie links und rechts an ihren Oberschenkeln herabhing. Sie griff nach einem Werkzeug, erwischte diesen dummen Lötkolben, überlegte es sich anders und zog stattdessen Abyss‘ Messer aus dem Stiefel.
Erneut hämmerte es an der Tür.
Djego stand mit seinem Strahler seitlich davor. Er führte einen Finger zu seinem Mund und bedeutete ihr, leise zu sein. Zitternd schlich sie näher und erhob die Klinge Richtung Tür, nicht sicher, ob sie ihn damit angreifen wollte oder den, der dort draußen stand. Egal wen, sie war bereit zuzustechen!
Im nächsten Augenblick krachte es wieder. Wer immer es war, er würde diese Tür zerstören.
Gibbli nickte ihm zu. Djego betätigte den Öffnungsmechanismus und die Luke glitt auf. Der Eindringling schlug dem jungen Soldaten ohne zu zögern die Waffe aus den Händen und ihn gleich mit zu Boden, noch bevor er reagieren konnte. Dann wandte er sich Gibbli zu. Das Messer noch immer erhoben, starrte sie ihn an. Er hob den Arm und fuhr über die Klinge, dann über den Griff zu ihrer Hand. Gibblis Finger lockerten sich, als er sie packte.
„Ich bin froh, dass er es dir geschenkt hat. Einer, seiner guten Pläne. Zur Abwechslung einmal.“
Er trug noch immer das blutverschmierte Hemd. Es war eingetrocknet. Sky wirkte angeschlagen, doch entschlossener denn je. Kurz grinste er und schloss zufrieden die Augen. Dann wurde seine Miene wieder ernst und Gibbli spürte, dass er noch immer wütend war. Aber es war ihr egal, sie war einfach nur froh, dass er lebte.
Währenddessen zog sich Djego am verbogenen Metall des Eingangs hoch. „Kapitän“, sagte er röchelnd. „Ich habe sie vor den Soldaten gerettet!“
Sky schubste ihn beiseite. „Geh mir aus dem Weg.“ Er zog Gibbli mit sich zum Tisch. Dort schob er sie auf einen der Hocker und ließ sich erschöpft auf den anderen fallen. Währenddessen griff er sich an die Seite. Ein blutdurchtränkter Verband blitzte unter seinem Hemd hervor. Offensichtlich hatte ihn jemand oder er sich selbst verarztet.
Djego trat auf sie zu. „Kapitän Sky, ich bin nicht euer Feind! Ich habe sie gerettet! Ich-“
„Das war nicht deine Aufgabe!“, fuhr er ihn an. „Mein Befehl an dich war klar! Richte Jack endlich aus, dass er die Störsender abschalten soll! Sofort! Und wenn du ihm erzählst, dass ich hier bin und nicht in der Stadt, bist du ein toter Mann! Bestätige das!“
„Ich ... ja.“ Sein Blick wanderte zu Gibbli. Dann drehte er sich um und verließ ohne ein weiteres Wort die Wohnung.
Sie war mit dem Kapitän allein. Sky hatte wieder einmal seine Macht demonstriert. Doch im Augenblick wirkte er gar nicht wie der unbesiegbare Flottenführer.
„Nur einen Moment“, murmelte er mit geschlossenen Augen und atmete tief ein.
Konnte sie es wagen, ihm eine der tausend Fragen zu stellen, die ihr durch den Kopf schossen? „Ich dachte, sie hätten dich erwischt“, flüsterte Gibbli.
Langsam hob er den Kopf. Seine Implantate wirkten so bedrohlich! „Das haben sie. Aber sie begingen einen Fehler. Sie vergaßen, wer ich bin.“
„Wie bist du hier her gekommen?“, fragte Gibbli. Eigentlich wollte sie etwas ganz anderes fragen. Wie war es ihm gelungen, sie hier zu finden? Aber die Worte kamen wieder so verdreht aus ihrem Mund, als würde ein kleines Männchen auf ihrer Zunge sitzen und diese umformen.
„Wassertaxi.“
Ungläubig zog Gibbli die Stirn zusammen. Es war unwahrscheinlich, dass ihn einfach so ein Taxi mitgenommen hatte. Jeder hätte ihn doch sofort erkannt!
„Von der Akademie aus. Zwei Soldaten fanden mich und brachten mich in den Aufzug. Ich hab sie erledigt, bevor jemand was mitbekam. Danach ließ ich mich hierher fahren. Kein offizielles Taxi. Eine gewisse Murphy Law nahm mich mit.“
„Ähm ...“, mehr schaffte sie nicht zu sagen.
„Wahrscheinlich nicht ihr echter Name. Aber diese tollpatschige Frau half mir. Mit freundlicher Empfehlung von Abyss. Frag nicht. Er ist einfach irre. Sobald er zurückkommt, wird er sich einiges von mir anhören müssen. Sonderbarerweise scheint es noch immer Leute aus dieser Untergrundszene zu geben, die ihm wohlgesonnen sind. Law betreibt ihr Geschäft nicht ganz ... legal. Sie stellt keine Fragen und befördert jeden zahlungsfähigen Gast. Ihr Taxi, sie nennt die Schrottkiste Rüdiger, fällt bereits fast auseinander. Armes Ding. Wenigstens hatte sie etwas Verband an Bord.“
Gibbli wollte lieber nicht mehr über diese Frau erfahren. Dafür, dass Abyss ein Einzelgänger war, kannte er ziemlich viele Leute.
Der Kapitän drückte ihr grob ein EAG in die Hände. „Sag mir, was du hier drauf siehst.“
„W-Was genau ist das?“, fragte sie stotternd. Ihr Blick fiel auf den Namen ganz oben am Bildschirm. Das Gerät gehörte dem stellvertretenden Schulleiter!
„Die Aufzeichnungen der geologischen Abteilung. Das Ding landete zufällig auf dem Weg hier her in meiner Tasche. Lag wohl in Plotz Büro, bevor Law auftauchte. Ich bin mir sicher, die Daten wären genauer, wenn wir auf die Messinstrumente Oceas zurückgreifen könnten, aber Jack hat die Störsender ja noch immer nicht abgeschaltet, also müssen die hier genügen.“ Er tippte auf eine Datei und eine verschachtelte Liste baute sich über dem Gerät auf. „Das hier sind alle registrierten Beben im gesamten Landmenschengebiet der letzten Tage. Hier die Zeitpunkte, Koordinaten und die jeweiligen Stärken. Sieh sie dir an und sag mir dann, was du davon hältst.“ Skys Worte klangen, als fiele es ihm schwer, ruhig zu bleiben.
Gibbli war klar, dass er versuchte, seine Wut ihr gegenüber zu unterdrücken. Schuldbewusst beugte sie sich über das EAG. „Also ... einige der Beben sind ... anders.“
„Stärker?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Sprich schon!“
„Es ... also es ist nicht die Stärke, es ist die Art.“ Sie fuhr durch das Hologramm und verband die Liste mit einer intern gespeicherten Karte des EAGs, um die betroffenen Gebiete zu markieren. „Ein Teil hiervon sind normale Beben, wie wir sie kennen. Ein weitaus größerer Teil verhält sich von den Auswirkungen her völlig abnormal. Ich muss sie herausfiltern und einige Berechnungen anstellen. Steven könnte das wahrscheinlich besser. Das wird eine Weile dauern.“ Während sie sprach, zog Gibbli ihr EAG, um die Daten zu übertragen.
Sky nickte. „Ist mir egal wer von euch das macht, macht es. Später. Wir müssen zurück nach Ocea.“ Er stützte sich am Tisch ab und stand auf. „Da ist lediglich eine Sache, die ich davor gerne geklärt hätte. Ich will wissen, warum du dort unten warst.“
Gibbli, die ebenfalls aufgestanden war, hielt in ihrer Bewegung inne.
„Antworte!“
Sie zuckte zurück und presste die Lippen aufeinander.
Der Kapitän packte sie an den Schultern. „Warum, bei Ocea, sage es mir!“
Sie kniff schützend die Augen zusammen. Würde er sie jetzt schlagen, wie ihre Eltern es immer getan hatten? Würde er sie zusammenbrüllen, wie der Direktor, Brummer?
Sky tat nichts davon. Stattdessen ließ er sie wieder los und schüttelte betrübt den Kopf. Er wandte sich von ihr ab und fuhr sich mit einer Hand über seine Dreadlocks. Mit der anderen stützte er sich an einer Wand des Quartiers ab.
„Wirfst du mich jetzt raus?“, fragte sie zitternd.
Langsam drehte er sich zu ihr um. Er sprach so deutlich und betonte jedes Wort, dass Gibbli ein Schauer über den Rücken lief. „Ich befahl dir, mir zu sagen, was du dort wolltest.“
„Es tut mir leid.“
Er trat auf sie zu. „Gibbli, ich habe es dir schon einmal gesagt, damit ich jemanden hinauswerfe, muss viel passieren. Abyss ist ein Mörder und Steven ist ... nun ja, Steven. Und sie sind noch immer in meiner Crew.“
„Du bist auch ein Mörder“, flüsterte sie.
„Ja! Ja, verflucht! Siehst du, wozu du mich bringst, wozu ihr mich bringt!“
„Ich streng mich an, ich tu alles!“
„Hör auf damit!“, murmelte er erschöpft.
„Es reicht nicht, ich bin schwach, ich ...“
„Schweig“, sagte er plötzlich ruhig.
Gibbli verstummt.
Er hatte sich dem Fenster zugewandt und blickte nach draußen in die Dunkelheit. Es war mittlerweile Nacht geworden. In der Ferne schimmerten die schwachen Lichter anderer Gebäudeteile.
Langsam sprach Sky weiter, ohne sie dabei anzusehen. „Ich kann damit leben, wenn du Mist baust. Aber ich kann es nicht ausstehen, wenn du mich belügst und mir sagst, da ist nichts, wenn es doch etwas Wichtiges zu erzählen gäbe.“ Er wandte den Kopf und fixierte sie wieder eindringlich mit seinen schwarzen Augen. „Das sehe ich als persönlichen Angriff. Du hintergehst mich. Wenn du jemanden aus der Crew verletzt, dann verletze ich dich. Damit habe ich kein Problem. Aber wenn du mich als Kapitän nicht respektierst, wenn du meine Befehle missachtest, meine Fragen nicht wahrheitsgemäß beantwortest, dann haben wir ein Problem, Gibbli. Ich frage dich jetzt ein letztes Mal. Was hast du angestellt? Warum rennst du dort hinab zu Jacks Soldaten? Was verschweigst du mir?“
Gibbli öffnete den Mund. „Ich ...“ Für einen Moment wollte sie sprechen, ihm alles erzählen, doch sie wusste gar nicht, wo sie anfangen sollte. Sie traute sich nicht zu sagen, dass das mit dem kaputten Schutzschild ihre Schuld war, aber irgendwann musste er es erfahren, oder? Und all die anderen Dinge? Sie überlegte, ihm von Stevens Spiel zu erzählen. Von dem Namen auf ihrem Rücken. Von seinen fiesen Aufgaben. Von Djego, der sie ständig ablenkte, allein wenn sie an ihn dachte und sein seltsames Verhalten, das ihr irgendwie unheimlich erschien. Ihr seltsames Verhalten, wenn sie in seiner Nähe war, korrigierte sie sich in Gedanken.
„Es ist seinetwegen“, murmelte Sky und sah sich im Raum um. „Der Junge.“
Sollte sie ihm von dem Druck erzählen, nicht gut genug zu sein, dass sie sich hässlich vorkam, zu dick, zu tollpatschig, zu unfähig, dass sie Angst hatte, all dem hier nicht zu genügen? Wie schlecht sie war im Laufen, im Klettern, im Kämpfen, einfach in allem, was Sky versuchte ihr beizubringen? Oder von Abyss.
„Er lernt es nie.“ Sky knurrte genervt auf.
Doch Gibbli nahm es gar nicht richtig wahr. Abyss, der nicht im Stande war ein U-Boot zu steuern, dachte sie und beobachtete, wie ein rauchendes Fahrzeug draußen am Fenstern vorbei schrammte. Abyss, der ihr so wahnsinnig fehlte. Den sie so sehr vermisste, selbst die Tatsache, dass er sie immer quälte mit seinen Fragen und sogar seinen Blick, der ihr sagte, er würde sie zerlegen, wenn sie ihm nicht antwortete. Sie mochte diesen Blick. Gibbli schüttelte den Kopf, als ein dumpfer Knall ertönte. Nein, das würde sie nicht sagen, nicht vor dem Kapitän, das bedeutete, sie würde Schwäche zeigen! Sie konnte ihm nichts davon verraten, nicht von Abyss. Für eine Sekunde vibrierte der Boden. Abyss, dem sie alles erzählen würde, was er wissen wollte, weil er es sowieso herausfinden würde oder weil er sie so lange nerven würde, bis sie es ihm erzählte. Abyss, der sie nur einmal anzusehen brauchte, damit sie genau das tat, was auch immer er wollte, dass sie tat oder sagte. Wahrscheinlich war das rauchende Ding draußen irgendwo dagegen geprallt. Abyss, der sie hassen würde, wenn er je das mit diesem dämlichen Namen erfahren würde. Abyss, der Djego nicht ausstehen konnte und dessen Stimme sie sogar jetzt in ihrem Kopf hörte. Man, war Abyss wütend. Als würde er gegen Steven anschreien ...
Gibbli blickte auf. Sie sah nur noch den Rücken von Skys Uniform, der in den Gang draußen hinter der offenen Schleusentür einbog und um die nächste Ecke verschwand. Der Kapitän war gegangen. Was? Er konnte doch nicht ohne sie abhauen! Sie sollte aufhören zu träumen. Verdammt, jetzt war er sicher noch schlechter auf sie zu sprechen. Gibbli beeilte sich, ihm nach draußen zu folgen, doch sie kam nur bis vor die Tür, als Djego ihr entgegen hastete.
„Ich war im zentralen Kommunikationsbereich und habe mit Jack gesprochen. Er will über die Störsender nachdenken und überlegen ob ... Hey, wo willst du hin? Wo hat sich dein Kapitän versteckt?“
Gibbli antwortete nicht und spitzte stattdessen die Ohren. War da nicht gerade ...
„Was hältst du davon, du beschreibst mir, was du brauchst und ich hole es dir persönlich aus Jacks Lager. Was meinst du? Und möglicherweise, könnten wir dann ja Vielleichteinwenigmehrfreunde sein?“
„Ich ...“ Sie brach ab. Da, wieder! Ihr Herz schlug schneller.
„Du?“, fragte Djego vorsichtig.
„Wo ist sie? WO IST SIE?“
Gibbli riss die Augen auf. Ja!
„Beruhige dich“, hörte sie Sky sagen.
Hastig rauschte Gibbli an Djego vorbei und eilte den Gang entlang. Links und rechts führten Abzweigungen zu verschiedenen Behausungen.
„WOHIN?“, schrie er wieder.
„Hey, halt, du kannst doch nicht mitten im Gespräch abhauen!“, rief Djego und lief ihr hinterher.
„Du solltest lieber fragen mit wem“, ertönte die lachende, klare Stimme von Steven.
Sie bogen um die Ecke und Gibbli kam schlitternd zum Stehen. Da stand er, unter einer hin und wieder ausfallenden, alten Leuchtröhre und brüllte den Kapitän an. Wie ein Riese. Mit ein paar Narben mehr als gewohnt und felsenfest. Steven stand etwas abseits an einer Wand und grinste, während Abyss‘ Miene so düster wirkte, wie noch nie.
„Ich habe es mir anders überlegt, führen wir dieses Gespräch später fort“, sagte Djego leise hinter Gibbli.
Sie beachtete ihn gar nicht mehr und ging auf Abyss zu. Als er aufblickte, blieb sie wie versteinert stehen und starrte in seine grauen Augen. Rote Adern hoben sich bedrohlich in ihnen ab. Sein wutverzerrtes Gesicht war bis aufs Äußerste angespannt. Sein Blick glitt an ihr vorbei auf Djego.
„DU!“, schrie Abyss so laut, dass Gibbli erschrak. Im nächsten Augenblick erhob er eines seiner Messer.
„Lass das!“, befahl Sky und zog an seinem Arm.
Abyss versuchte, ihn abzuschütteln, und wollte auf Djego und Gibbli zustürzen. „Ich werde dich aufschlitzen und DEINE SCHEISS ORGANE - HEY!“
Während der junge Soldat kehrtmachte und flüchtete, packte der Kapitän Abyss von hinten. „Das wirst du nicht! Du hast nicht zu entscheiden, mit wem sie spricht!“, knurrte Sky und versuchte mit aller Kraft zu verhindern, dass er Djego folgte.
„Idiot! Lass mich los! Ich zerfetz ihn!“
„Abyss“, sagte Gibbli wimmernd.
Sky hatte Mühe, ihn festzuhalten. Doch er schaffte es trotz seiner Verletzung.
„Abyss, Abyss, Abyss!“, mit wutverzerrten Falten im Gesicht funkelte er sie an. „Wie kannst du es wagen, wie kannst du mit diesem dummen Lockengesicht, du warst in seiner Wohnung, du - JETZT LASS MICH LOS, VERDAMMT!“
„Verschwindet“, rief Sky ihr mit schmerzverzerrtem Gesicht zu, während er mit Abyss rang. „Nehmt den MARM!“
Unfähig sich zu bewegen, spürte Gibbli, wie Steven sie am Pullover ergriff und vorsichtig von ihnen fortzog. „Komm schon, Mädchen.“
„FASS SIE NICHT AN!“, brüllte Abyss. „Sie bleibt hier!“
Doch der Oceaner zog sie mit sich, während Sky Abyss in die andere Richtung schleifte.

 

Belustigt schob er sie durch den kleinen Hafen. Gibbli ließ sich nur widerwillig von Steven in den MARM schubsen. Sie lehnte mit dem Kopf an der Scheibe, während er das kleine Beiboot Richtung Meeresakademie steuerte.
„Ich bin so dumm“, flüsterte Gibbli.
„Ja, das bist du, mein Schatz“, sagte Steven abwesend. Kurz blickte er zu ihr auf. „Hey, keine Sorge Mädchen, Steven richtet das.“ Er wandte sich wieder dem Steuer zu. „Ich richte alles, oh ja. Ein wenig Kleber drauf und schon hält es wieder“ Sie war viel zu aufgewühlt, um ihm zu sagen, er sollte sein Maul halten. „Du hast nur einen winzig kleinen Fehler gemacht. Aber das macht nichts.“
„Nein Steven, ich bin der Fehler“, murmelte Gibbli.
„Ich bin mir sicher, der Kapitän klaut aus Versehen irgendeine Tauchkapsel. Damit kommen sie schnell hinter uns her.“
„Er hasst mich. Abyss hasst mich.“
„Dein kleiner Mensch ist wie ein Hüpfball, verstehst du? Er hüpft und hüpft und hüpft. Und irgendwann bleibt er liegen.“
Gibbli versuchte, sein Geplapper zu ignorieren, und fragte sich, wie Abyss sie eigentlich gefunden hatte. Auch Sky hatte ihr diese Frage nicht beantwortet. Woher wussten eigentlich alle, dass Djego sie zu sich in sein Quartier nach Mooks gebracht hatte? Steven konnte sie natürlich über die Kugel auf der Mara verfolgen. Plötzlich ging Gibbli ein Licht auf. Sie zog Abyss‘ Messer aus dem Stiefel und einen kleinen Schraubenzieher aus ihrer Werkzeugtasche. Damit löste sie vorsichtig den Griff von der Klinge. Sekunden später plumpste das Objekt zu Boden.
„Ein Ortungsbot“, murmelte Gibbli leise. Das Ding war so winzig, das man es zwischen zwei Fingern verschwinden lassen konnte. Sie hob es mit einer Pinzette auf und zog ein Sonnenstück zu sich heran, um es genauer zu betrachten.
„Oh, ja. Hab gehört, wie er dem Kapitän davon erzählte. Schon vor einer halben Ewigkeit. Würde mich nicht wundern, wenn wir alle noch mehr dieser kleinen Dinger an uns haben. Dieser riesige Kerl ist ein Kontrollfreak, ja das ist er.“
„Ein Kontrollfreak“, wiederholte Gibbli geistesabwesend. Ihre Finger spielten mit dem Bot und rollten ihn hin und her, als wären es nicht ihre eigenen.
Sein breites Lächeln tauchte in ihrem Kopf auf. Die langen, zerzausten Haare, wenn er keine Lust hatte, sie zu binden. Das blasse Gesicht, das immer wieder ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Der Seitenblick, den er ihr ständig zuwarf, egal womit er sich gerade beschäftigte, als gäbe es nichts Wichtigeres als sie.
Ach, war doch sowieso alles egal. Sollte Abyss so viele Sonden anbringen, wie es ihm gefiel. Sie steckte das kleine Ding zurück in sein Messer.

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